IX. Die Reformation im Kloster Alpirsbach
Vorlage: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Das Benediktinerkloster Alpirsbach erlebte wie viele Klöster im frühen 15. Jahrhundert einen wirtschaftlichen und spirituellen Niedergang. Für umfassende Reformen kam Abt Hieronymus Hulzing mit weiteren Mönchen aus dem Kloster Wiblingen bei Ulm nach Alpirsbach. Seine Bemühungen mündeten 1482 in den Beitritt zur Bursfelder Reformkongregation der Benediktiner. Er gab der spirituellen Neuausrichtung aber auch nach außen hin sichtbaren Ausdruck, indem er die Klausurgebäude im spätgotischen Stil erweitern und umgestalteten ließ.
Zu Beginn der 1520er–Jahre war unter Abt Alexius Karrenfurer bereits der Wellenschlag der reformatorischen Ideen in Alpirsbach zu spüren. Ambrosius Blarer, Mönch und Prior des Klosters, war mit den Lehren Luthers in Kontakt gekommen und trug sie in den Konvent und darüber hinaus. Unter dem Druck seines Abtes entwich Blarer schließlich 1522 aus dem Kloster; seine Gründe dafür ließ er sogar in einer eigenen Druckschrift verbreiten.
Als Herzog Ulrich 1534 aus dem Exil zurückkehrte, suchte er die Unterstützung des ehemaligen Alpirsbacher Mönchs, der inzwischen bereits als Reformator im Bodenseeraum gewirkt hatte. Blarer sollte nun den Süden des Landes nach oberdeutscher Ausrichtung reformieren. Seine Erfahrungen konnte er in die neue Klosterordnung einbringen, die ab 1535 das monastische Leben in Alpirsbach sowie den übrigen Männerkonventen des Landes im reformatorischen Sinne umgestalten sollte. Da aber weder die vom Herzog in die Klöster gesendeten Lesemeister noch die Klosterordnung den gewünschten Erfolg hatten, musste Herzog Ulrich den Alpirsbacher Konvent schließlich im November 1535 mit einer militärischen Drohgebärde zum Einlenken bringen. Abt Ulrich Hamma und ein Großteil der Mönche willigten ein; nur zwei widersetzten sich und flohen aus Alpirsbach.
Unter den flüchtigen Mönchen war auch Jakob Hochreutiner, der nach dreizehn Jahren, als sich die politische Lage wieder verändert hatte, nach Alpirsbach zurückkehren konnte. Von weiteren Mitbrüdern zum Abt gewählt, begleitete er die unter Herzog Christoph angeordnete Einrichtung einer Klosterschule, die dann bis 1595 bestehen sollte. Im Jahr 1563 konnte auf Heuchreutiner der erste evangelische Abt, Balthasar Elenheinz, nachfolgen und die weiteren Geschicke des Klosters prägen.
IX.5 Die Klosterordnung Herzog Ulrichs
[1535 Juli]
Ausfertigung, Papier, 8 Blatt, Folio
HStAS A 63 Bü 4/32
Edition im Anhang Nr. 15, CD Nr. 32Die Einsetzung von evangelischen Predigern in den Klöstern im Januar 1535 hatte zunächst das Ziel gehabt, die Mönche in der neuen Lehre zu unterweisen und so ihren Austritt herbeizuführen. Da die Lesemeister und Prädikanten ihre erhoffte Wirkungskraft in den meisten Klöstern nicht voll entfalten konnten und eine Auflösung der Konvente auf diesem Wege nicht erreicht werden konnte, fiel der Entschluss zu einer übergangsweisen Umwandlung der Klöster in evangelische Konvente. Über diesen Umweg wurde weiterhin die Auflösung der Abteien angestrebt.
Mit dem Entwurf der neuen Klosterordnung wurde offenbar Ambrosius Blarer beauftragt. Vorgespräche zwischen dem Herzog und Blarer hatte es bereits im Dezember 1534 gegeben. Konkret wurde das Projekt im Juni des Folgejahres, bei einem Treffen des Herzogs mit Erhard Schnepf und Ambrosius Blarer in Stuttgart, wo die Klosterordnung dann im Juli 1535 erlassen wurde.
Mit dieser Ordnung wurden für die württembergischen Konvente fast alle Bereiche des klösterlichen Lebens geregelt. Ordensunterschiede blieben dabei unberücksichtigt. So enthält die Ordnung im ersten Teil Vorgaben zum vasten, schweigen, beichten, kutten und blatten [Tonsur] tragen, auch vil andern damit die gaistliche genanten beschwert worden […]. So wurde den Mönchen das Tragen der Kutten und der Tonsur freigestellt, die Zahl der Andachten auf zwei reduziert. Anstelle der Heiligen Messe sollten die Mönche das Abendmahl feiern.
Im zweiten Abschnitt sind die Regelungen für die Frauenkonvente benannt. Der letzte Teil betrifft das Verfahren des Klosteraustritts und die damit verbundene finanzielle Absicherung der Mönche.
Die württembergische Klosterordnung griff auf keinerlei Vorlagen zurück. Ihr Aufbau und ihr Inhalt sind singulär. Die damit angestrebte evangelische Neuordnung des Klosterwesens, die weit über rein rechtlich-organisatorische Maßnahmen hinausging, kann als Leistung Blarers verstanden werden, der seine eigenen Klostererfahrungen aus seiner Zeit als Mönch in Alpirsbach mit einbringen konnte.
Es hatt der tausendt listig Sathan, under dem Schain ains Engels des Liechts sonnderlich bey den closterleutten zů unsern Zaitten vilfaltig eingedrungen, den rechten, sattenn grundt des glaubens, welcher allain hie fromm und dort sälig macht, mit den seelstricken menschlicher satzůngen treffenlich geschwecht, bey ettlichen ouch gar außgerissen, den waren gotsdienst mit unmasse laiplicher yebung […] vilfältig verdunckelt, ware lieb gestürtzet […], also das uns von hohen nötten, ain christenlich, ernstlich einsehen hierinn zethůndt, die armen, gefangen gewissen ledig ze machen und alle ding nach gottes willen, der er unß in seinem hailigen wort eroffnet, anzůrichten, derohalb wir unß ouch nachgender ordnung, welche wir wellen in allen unsers fürstenthumbs Clostern fleissig gehalten werden, enthschlossen haben.
Von der Meß:
Die bäpstisch meß als ain widerchristenlicher und abgöttischer missbrauch des nachtmals Christi, unsers Herrn, durch den der gleichförmig und von Christo ain mal eingesetzter brauch seins gnadreichen abentmals gespalten worden, soll fürderlich allenthalben in den Clöstern abgeschafft […] werden.Von klaidung und blatten:
Welche wellendt, mögendt ire blatten gleich verwachsen und die kutten fallen lassen und mit ander erber beclaidung beclaidt werden. Also soll ouch in allen anderen ausserlichen dingen freyhait zůgelassen und gehalten werden […]Wie es mit den Closter personen, so heruß zůkomen begeren oder vormals herauß komen seind, gehalten sölle werden:
Klosterordnung
Welche Closterpersonen nach irer nottdurfft gelegenhait iren standt christenlich zůverkeren gedachten und sich ausser den Clöstern thůn welten, denen sol dis wol auffgethon werden, das jede ir hinein gebracht gůt herauß neme und sich alsdann aller ansprach verzeihe […]
IX.6 Abfertigungsurkunde des Mönchs Antonius Volmar
1535 November 15, Alpirsbach
Ausfertigung, Pergament, 44 × 55 cm
HStAS A 470 U 38Nachdem die neue Klosterordnung in Alpirsbach nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatte, ließ Herzog Ulrich am 24. Oktober 1535 das Kloster militärisch besetzen. Unter dem Eindruck dieser Drohgebärde nahm Abt Ulrich Hamma das Leibgeding als eine jährliche Rente an und ließ sich vom Landesherrn als Verwalter des Klosterbesitzes einsetzen. Etwa zwei Wochen später folgte ihm ein Großteil des Konvents, unter anderem Antonius Volmar. Er erhielt daraufhin eine jährliche Leibrente von 40 fl. Und bestätigte im Gegenzug, dass er Inn seinen Jungen unverstendigen tagen, usß einem Götlichen yfer (doch one verstand unnd grunde der geschrifft) In das Closter Alberspach eingetreten war. Mit der Annahme des Leibgedings trat er alle weiteren Ansprüche ab.
Nachdem die Konventualen Kloster Alpirsbach verlassen hatten und eine neue Verwaltung eingerichtet worden war, hatte dieses Dokument seinen Nutzen verloren. Aufgrund des Materialwerts wurde die Urkunde aber nicht entsorgt, sondern als Bucheinband für Verwaltungsakten der neuen Klosterämter wiederverwendet. Auf der Rückseite ist zu lesen: Auszug Der Newerung dess Closters Alperspach uber die ämbter Rötembach Rotemberg.
IX.8 Abt Ulrich Hamma schreibt an Ambrosius Blarer
[1535–1536]
Ausfertigung, Papier, 1 Blatt, Folio
HStAS A 470 Bü 4
Zur Vergrößerung bitte hier klickenAbt Ulrich Hamma wendet sich in einem Brief an den württembergischen Reformator Ambrosius Blarer. In dieser persönlichen Ansprache zeigt sich die Verbindung zwischen dem Abt und seinem einstigen Prior sowie die Hoffnung Hammas, in Blarer eine helfende Instanz zu finden.
So beschwert sich Abt Ulrich über den Prädikanten Konrad Öttinger, dessen Fuhrman er bezahlen musste, dabei hätte er lieber 10 mal als vil [gegeben, damit ihm] kayner in dass hüs keme. Weiter erläutert er, er habe wenig dess hailgen gaissts by ime gespirt […]. Konrad Öttinger hat in Alpirsbach offenbar keinen besonders überzeugenden Eindruck hinterlassen.
Die Situation im Kloster sowie die Sorge um seine Ordensbrüder lässt Abt Ulrich mit den Worten schließen: Ich Kan vor Kümmer nichts mer schriben.
IX.14 Epitaph des Alpirsbacher Abts Balthasar Elenheinz
1581
Rötlicher Sandstein, 54 × 71,5 cm (Rest)
Kloster Alpirsbach, KlosterkircheDas aufwändig gearbeitete Grabmal für den aus Stetten im Remstal stammenden Priester und zeitweiligen Augustinerchorherrn Balthasar Elenheinz ist nur als Fragment erhalten. Elenheinz vertrat nach Einführung der Reformation als erster evangelischer Abt in Alpirsbach von 1563 bis zu seinem Tod das gleichnamige Klosteramt im württembergischen Landtag.
Das Epitaph hatte die Form einer Ädikula, deren mit Säulen ausgestattete Hauptzone sich über einem Sockel erhob und von Gebälk und Giebel überfangen wurde. Eingefügt waren zwei Wappen, ein in deutscher Sprache formulierter Sterbevermerk sowie zwei in Latein verfasste elegische Distichen, deren Versenden auf dem geretteten Teilstück noch erhalten sind. Ihr vollständiger Text verhieß die Auferstehung und Erlösung des Toten bei Christi Wiederkunft, während der volkssprachige Abschnitt den genauen Todestag überlieferte, das Alter des Abts erwähnte und eine Fürbitte enthielt. Als ausführender Steinmetz ist ein sonst unbekannter Meister namens Paul Canndorffer bezeugt, der die Arbeit im Jahr 1581 vor Ort in Alpirsbach vollendete.
IX.15 Das Alpirsbacher Chorgestühl mit der Pultwange des hl. Veit
1493
Nadel- und Lindenholz
Kloster Alpirsbach, Klosterkirche
(üblicherweise Kalefaktorium)Das spätmittelalterliche Alpirsbacher Chorgestühl, das durch eine Inschrift in frühhumanistischer Kapitalis auf 1493 datiert und damit der Amtszeit von Abt Hieronymus Hulzing (1479–1495) zugeordnet werden kann, ist nur noch in Teilen erhalten. Die an einer Pultwange angebrachten Initialen H M und ein Meisterzeichen konnten bisher keinem bekannten Meister zugeordnet werden.
Die ursprüngliche Aufstellung des Gestühls in der Klosterkirche ist nicht mehr genau zu rekonstruieren, da durch eine Tieferlegung des Kirchenbodens in den Jahren 1878 bis 1881 alle Spuren ehemaliger Einbauten vernichtet wurden.
Heute befinden sich zehn Sitze, die noch zweireihig und im Verbund aufgestellt sind, im Kalefaktorium des Klosters. Die hintere Reihe verfügt über hohe Dorsale. Ein Baldachin darüber ist durch eine gleichförmige Reihe von Kielbogenwimpergen geschmückt. Durch mit Maßwerk verzierte Trennwände sind die Sitze der hinteren Reihe in einzelne Zellen geschieden.
Die vordere Reihe der Sitze ist durch zwei seitliche Pultwangen eingefasst. Eine der beiden wurde ersetzt, die andere zeigt im Wangenfeld ein Relief mit einer ganzfigurigen Darstellung des hl. Hieronymus, Namenspatron von Abt Hieronymus Hulzing, wie er dem Löwen einen Dorn aus der Pranke zieht. Darüber sitzt der Pultwange eine vollplastische Büste einer männlichen Gestalt mit gezipfeltem Bart, langem lockigem Haar sowie einem kranzartigen Turban auf. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um die Darstellung eines Propheten. Ihm gab man die Wappen von zwei Klosterstiftern in die Hand: Ruotman von Hausen links und Adalbert von Zollern rechts. Der dritte Stifter Alwig von Sulz wird an einer der nicht mehr erhaltenen Pultwangen ins Bild gesetzt worden sein.
Neben den üblichen Alterserscheinungen und den Schäden durch den Ab- und Aufbau zeigen alle figürlichen Darstellungen in Alpirsbach Zerstörungen durch Axthiebe an den Gesichtern. Die Augen wurden zusätzlich durch Stiche beschädigt. Im Gegensatz zum Stuttgarter Gestühl, an dem die Folgen solcher Zerstörungen zum Teil durch Rekonstruktionen ausgebessert wurden, ergänzte man in Alpirsbach keine Gesichtspartien.
Es liegt nahe, diese Zerstörungen mit der Reformation und der Abschaffung der Heiligenbildnisse in Verbindung zu bringen. Spätestens seit dem Uracher Götzentag 1537 galten Heiligenbilder, die zur Anbetung genutzt werden konnten, als „Ärgernis“, das vom Wort Gottes ablenke. Sie sollten aus dem Kirchraum entfernt werden. Man ging allerdings nicht systematisch und geordnet vor, sodass noch unter Herzog Christoph Anstrengungen unternommen wurden, den altgläubigen Kultus in den Kirchen zu beseitigen.
IX.18 Bekanntmachung des Amtsantritts von Abt Jakob Hochreutiner
[1548 Oktober 30], Alpirsbach
Papier, 28,5 × 43 cm
HStAS A 470 Bü 4
(Ausgestellt: Reproduktion)
Zur Vergrößerung bitte hier klickenMit einem großformatigen lateinischen Schriftstück wird der Amtsantritt des Abts Jakob Hochreutiner im Kloster Alpirsbach bekanntgegeben. Besonders auffällig sind das ungewöhnliche Format, die sorgfältige humanistische Kursive und die vielleicht noch zeitgenössischen Hervorhebungen.
Hochreutiner war im Zuge des Augsburger Interims gemeinsam mit vier weiteren Konventualen ins Kloster Alpirsbach zurückgekehrt und wurde am 30. Oktober 1548 zum letzten katholischen Abt gewählt. Die Wiederherstellung des Klosters war jedoch nur von kurzer Dauer; bereits im Januar 1556 verkündete Herzog Christoph die neue Klosterordnung, auf deren Basis Kloster Alpirsbach in eine Klosterschule umgewandelt wurde.
Jakob Hochreutiner legte am 26. Juni 1559 seine Abtswürde nieder und erhielt im Gegenzug ein Leibgeding. So konnte er seine Wohnung im Kloster behalten. Es kam allerdings immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Hochreutiner und der Klosterschule, die nicht beigelegt werden konnten.
IX.22 Eine lateinische Grammatik für die Klosterschulen von Philipp Melanchthon: Grammatices latinae elementa
1546, Tübingen: Ulrich Morhart
96 Blatt, Oktav
WLB Stuttgart Phil.oct.1627Später als die griechische Grammatik entstand Melanchthons Lehrbuch für den Lateinunterricht. Eine Ausgabe wurde auch in Tübingen bei Ulrich Morhart (ca. 1490–1554) als dem einzigen damals tätigen Drucker in Württemberg gedruckt. Philologische Werke waren meist vom humanistischen Rückbezug auf die Quellen der Antike (ad fontes) bestimmt. Sie wurden in fast unveränderter Weise vor, während und nach den Kontroversen um die Reformation gedruckt. Das Interesse an humanistischer Schulbildung und Gelehrsamkeit verband die Dozenten an Gymnasien und Universitäten unabhängig von der konfessionellen Ausrichtung. Wahrscheinlich erhielt Morhart einen offiziellen Auftrag zur Herstellung einer württembergischen Auflage des beliebten Grammatik-Bandes zur Verwendung in den Klosterschulen.
Die Möglichkeiten des Buchdrucks erlaubten die Produktion hoher Stückzahlen trotz relativ aufwendiger typographischer Gestaltung. Aus didaktischen Gründen wurden unterschiedliche Schriftarten und -größen sowie Positionierungen der Wörter eingesetzt. Wie noch aus der Handschriftenproduktion bekannt, kamen Abkürzungen und Buchstabenverbindungen (Ligaturen) vor, um den Platz optimal auszunutzen.
Das vorliegende Exemplar weist handschriftliche Eintragungen eines früheren Besitzers auf. Vermutlich handelte es sich um einen Schüler einer württembergischen Klosterschule. Er ließ das Buch mit Makulatur-Material einer zerschnittenen mittelalterlichen Pergament-Handschrift binden.
IX.24 Der Alpirsbacher Klosterfund
[Spätes 15.–frühes 20. Jahrhundert]
Verschiedene Materialien
SSG, Klostermuseum AlpirsbachWährend einer umfassenden Restaurierungskampagne im Kloster Alpirsbach zwischen 1956 und 1966 wurden 1958 im Hohlraum zwischen dem Gewölbe des Kreuzgang-Ostflügels und dem Dielenboden des Dormitoriums im Obergeschoss verschiedenste Kunst- und Gebrauchsgegenstände inmitten von Bauschutt entdeckt. Wie und warum sie dorthin gelangten, ist noch immer ungeklärt. Die hervorragend erhaltenen Objekte stammen aus der Zeit vom 15. bis zum 20. Jahrhundert; darunter befinden sich besonders für die Reformationszeit bedeutende kulturgeschichtliche Zeugnisse. Zahlreiche hölzerne Fragmente müssen zu den spätmittelalterlichen Altären der Klosterkirche gehört haben. Daneben geben Alltagsgegenstände wie Küchengeschirr, Spielzeug und medizinische Gefäße einen Einblick in die Sachkultur von Spätmittelalter und Früher Neuzeit.
Aus der Phase der protestantischen Klosterschule (1556–1595) sind diverse Papierfragmente aus Schulbüchern erhalten, aber auch Hausarbeiten, Kritzeleien und Karikaturen der Schüler. Ein leinener Büchersack, Schreibzeug und lederne Accessoires machen die damalige Lebenswelt greifbar. Unter den verschiedenen aufgefundenen Schuhen sind zwei Bundschuhe aus dem späten 15. Jahrhundert bemerkenswert: Sie sind hervorragend erhaltene Exemplare dieser Schuhform, die aufständische Gruppen am Oberrhein zwischen 1493 und 1517 wiederholt zu ihrem Symbol machten.
Die bedeutendsten erhaltenen Objekte sind jedoch die Textilien: Eine leinene Männerhose mit Schamkapsel aus dem frühen 16. Jahrhundert ist weltweit das einzige erhaltene derartige Stück. Aus dem Besitz von Klosterschülern stammen vermutlich drei Hemden und ein Wams, die auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert werden.
IX.28 Ambrosius Blarer schreibt seinem Bruder Thomas
[1522 Juli 25], [Konstanz]
Papier, 30 × 21,5 cm
Kantonsbibliothek Vadiana St. Gallen, VadSlg Ms 31:96
Edition im Anhang Nr. 4, CD Nr. 11
(Ausgestellt: Reproduktion)Ambrosius Blarer schreibt kurz nach seiner Flucht aus dem Kloster Alpirsbach einen lateinischen Brief eigenhändig an seinen Bruder Thomas Blarer. Dieser befand sich seit 1520 an der Universität Wittenberg. Da die Brüder in regem Austausch standen, wandte sich Ambrosius Blarer unterstützt durch seinen Bruder der Reformation zu.
Ambrosius berichtet in diesem Schreiben ausführlich über seine Flucht aus dem Kloster und die Gründe hierfür:
[…] interdictum erat declamationibus, quibus miseram plebeculam ab hominum traditionibus deterrere inque libertatem vere christianam pro virili adserere enitebar, interdictum erat eruditione fraterculorum, qua illis non infeliciter quotidie serviebam, et ut semel dicam: interdictum erat Christo […]
[…] verboten waren mir die Predigten, mit denen ich die armen Leute von dem Herkömmlichen abbringen und für die wahrhaft christliche Freiheit dauerhaft zum Leuchten bringen wollte. Verboten war mir die Bildung der Brüder, der ich nicht unglücklich täglich diente, und, um es noch einmal zu sagen, verboten war mir Christus selbst […]
Ambrosius Blarer an seinen Bruder Thomas
IX.32 Zwei Rundscheiben aus dem Kloster Alpirsbach
[1479–1495], Straßburg
Glas, Blei, Dm. 36 cm
Landesmuseum Württemberg, Inv. Nr. 682 und 683Die beiden bemerkenswerten Wappenscheiben aus dem Kloster Alpirsbach zählen zu den wenigen Zeugnissen der einst prächtigen Glasmalereien des ehemaligen Benediktinerklosters. Sie zeigen zum einen das Wappen von Abt Hieronymus Hulzing, zum anderen das Wappen Württembergs. Beide Scheiben gelangten 1865 in die Altertümersammlung in Stuttgart. Die Anfertigung dieser qualitätsvollen Glasarbeiten steht sehr wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem Umbau der Klausurgebäude unter Abt Hieronymus Hulzing. Ihm gelang eine Reform des Klosterlebens durch den Anschluss an die Bursfelder Kongregation. Hilfe bei dieser Klosterreform leistete Graf Eberhard von Württemberg-Urach. Es verwundert daher nicht, dass Hulzing nicht nur sich selbst, sondern auch seinen prominenten Unterstützer heraldisch im Kloster verewigen ließ.
Die Wappenscheibe Hulzings zeigt zwei Engel in reich gefältelten, bodenlangen Gewändern, die zwischen sich das Wappen – einen Fisch mit darüberliegendem sechszackigem Stern auf goldenem Grund – führen. Ein Abtsstab mit reich geschnitzter Krümme ist durch die Mitra geführt und hinterfängt das Wappen.
IX.33 Carl von Haeberlin: "Aufhebung des Klosters Alpirsbach"
1863
Öl/Leinwand, 150 × 222 cm; bezeichnet unten rechts: „C. Häberlin 1863“
Staatsgalerie Stuttgart, Inv.Nr. 100
(Ausgestellt: Reproduktion)Carl von Haeberlin (1832–1911) illustriert in dem Gemälde die langfristige Konsequenz der Reformation, die Alpirsbach endgültig in den Besitz der protestantischen Landesherren von Württemberg brachte: die Aufhebung des Benediktinerklosters nach dem Westfälischen Frieden, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete. Haeberlin bereitete seine Historiengemälde stets gewissenhaft vor, indem er die Gebäude vor Ort, zeitgenössische Kostüme und historische Abhandlungen intensiv studierte. Diese Bemühungen schlagen sich in einer detailreichen Schilderung nieder, die auf eine realistische Vergegenwärtigung des historischen Geschehens abzielt. Die architektonischen Charakteristika der Alpirsbacher Klosteranlage verwendet der Maler aber als Versatzstücke in freier Anordnung. So stellt er die Vorhalle der Klosterkirche mit ihren großen Rundbogenöffnungen auf die andere Seite der Abteifassade mit dem Erker, um so einen bühnenhaften Hintergrund für das figurenreiche Geschehen zu schaffen. Der Auszug der Mönche aus dem Kloster wird durch die Figurenanordnung in Einzelszenen gegliedert, deren fast theatralischer Ausdruck kennzeichnend ist für die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts: Augenfällig ist etwa das spöttische und respektlose Benehmen der schwedischen und württembergischen Soldaten im Kontrast zur stillen Würde der Mönche. Aus ihrer Menge ragt die Gestalt des Abtes heraus, der grimmig auf die kaiserlichen Kommissare und zwei protestantische Geistliche blickt. Er wird in Christian Friedrich Sattlers "Geschichte des Herzogthums Württemberg" (1776) als besonders widerspenstig beschrieben. Wahrscheinlich wurde Haeberlin von dieser Schrift, die er selbst besaß, zu dem Gemälde angeregt. Bereits 1859 traf er dafür erste Vorbereitungen; 1860 beauftragte ihn die Staatsgalerie Stuttgart mit der Ausführung, doch erst 1863 vollendete er das Werk während seines Studiums bei Karl Theodor von Piloty in München. 1867 war es auf der Weltausstellung in Paris zu sehen.