VIII. Die Reformation im Kloster Bebenhausen
Vorlage: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Das Zisterzienserkloster Bebenhausen gehörte Ende des 15. Jahrhunderts zu den wohlhabendsten Klöstern Württembergs. Geschickte An– und Verkaufspolitik hatte dazu geführt, dass ein großes zusammenhängendes Klosterareal entstanden war. Abt Johannes von Fridingen konnte seinen Konvent gegen die im Land aufkeimenden reformatorischen Ideen stärken. Mit seinem Tod aber verloren die Bebenhäuser Mönche ihre geistliche Führung – der Konvent zerbrach in die "alten" und die "neuen" Christen.
Die herzogliche Klosterordnung, die das Leben der Mönche im Sinne der Reformation 1535 neu regelte und deren Austritt erleichtern sollte, hatte Erfolg. Mehr als die Hälfte der Konventualen verließ Bebenhausen. Ihr Weg führte unter anderem an die Tübinger Universität oder in den evangelischen Kirchendienst. Zurück blieben vierzehn Mönche, die sich nicht vom alten Glauben lossagen wollten. Ihnen wurde erlaubt, in ein anderes Kloster ihres Ordens – außerhalb Württembergs – zu emigrieren.
Nach vierzehn Jahren an verschiedenen Orten konnte der Konvent durch eine veränderte politische Lage nach Bebenhausen zurückkehren. Der neue Abt Sebastian Lutz fand mit seinen Mönchen allerdings ein demoliertes und leeres Kloster vor, doch wagte man einen Neuanfang am alten Ort.
Trotz der fortgeführten Durchsetzung der Reformation unter Herzog Ulrichs Sohn Christoph durften die zurückgekehrten Mönche im Kloster verbleiben. Gleichzeitig wurden in dreizehn von vierzehn großen Männerklöstern evangelische Schulen eingerichtet. In Bebenhausen lebten so ab 1556 die evangelischen Klosterschüler und der altgläubige Konvent nebeneinander.
Mit der Abdankung von Abt Sebastian und dessen Tod 1560 verließ der Rest des altgläubigen Konvents das Kloster endgültig. Die zisterziensische Klosterzeit war vorüber. Sebastians Nachfolger Eberhard Bidembach ließ sich nun als erster evangelischer Abt einsetzen und sollte fortan die Geschicke von Kloster und Klosterschule prägen.
VIII.3 Der nördliche Kreuzgang und die dahinter liegende Klosterkirche
Grafik: attraktive grautöne
Foto: SSGDas Langhaus der Klosterkirche war 1537 bis auf die östlichste Arkade abgebrochen worden. Der Konvent hatte bereits 1535 das Kloster verlassen. Für die nun in Bebenhausen untergebrachten Verwaltungsbeamten wurde ein Kirchenbau dieser Größe nicht mehr benötigt. Beim Tübinger Schlossbau fanden die Steine der Klosterkirche eine weitere Verwendung.
Dieser ruinöse Zustand wurde erst behoben, als die Kirche den Schülern der unter Herzog Christoph eingerichteten Klosterschule für den Gottesdienst dienen sollte. So gab der Landesherr erst 1566 den Auftrag, sie in verkürzter Form wieder aufzubauen. Eine Inschrift auf der Westwand belegt, dass die Arbeiten 1568 abgeschlossen waren. Gekennzeichnet ist hier die ursprüngliche Ausdehnung des Kirchenschiffs.
VIII.6 Speiseordnung Herzog Ulrichs für das Kloster Bebenhausen
1543 Mai 20
Ausfertigung, Papier, 4 Blatt, Folio
HStAS A 474 Bü 74
(Ausgestellt: Reproduktion)Zur Vergrößerung bitte hier klickenNach der Auflösung des Konvents wurde die Abtei in ein Klosteramt umgewandelt und durch herzogliche Beamte verwaltet. Für die hier arbeitenden Angestellten erließ Herzog Ulrich 1543 eigens eine Ordnung wie es fürohin mit der Liferung, Essens unnd trinckhens halb Zu Bebenhusen, gegen allenn personen Im Closter gehaltenn werdenn soll. Darin war geregelt, welche Speisen wie oft in der Woche gegessen werden sollten bzw. durften.
VIII.8 Das Wappen des Abts Johannes von Fridingen im Kapitelsaal
1528
Kapitelsaal, Kloster Bebenhausen
Foto: Katharina RohneDer Kapitelsaal diente als Versammlungsstätte der Mönche. Hier wurde aus der Ordensregel gelesen oder über Angelegenheiten der Gemeinschaft beraten. Im Zuge der Reformation predigte hier der Lesemeister über den neuen Glauben, und die Mönche debattierten über die neue Klosterordnung. Während die Wände des Raumes bei seiner Neugestaltung unter Abt Johannes von Fridingen unverputzt blieben, wurden die Gewölbekappen mit weißem Putz versehen und mit floralen Motiven sowie den Leidenswerkzeugen Christi bemalt. Abt Johannes hat sich in der östlichsten Gewölbekappe mit seinem Wappen verewigt.
VIII.10 Die alten und neuen Christen in Bebenhausen
1534, nach Dezember 21
Reinschrift, 1 Blatt, Folio
HStAS A 474 Bü 60Zur Vergrößerung bitte hier klickenNach dem Tod des Abtes Johannes von Fridingen am 21. Dezember 1534 war der Konvent ohne geistliche Führung. Eine rasche Abtsneuwahl hatte Herzog Ulrich erfolgreich verhindert. In dieser Zeit muss die Liste entstanden sein, in welche die Konventsmitglieder je nach Glaubenszugehörigkeit eingeordnet wurden. 20 Brüder sind unter der Bezeichnung Die alten chrysten aufgeführt, 18 unter Die luterssen. Einzig der Novize Johannes Huber ist keiner der Gruppen zugeordnet. Nach den Initialen am Textende wurde das Verzeichnis vom altgläubig gebliebenen Mönch Johannes Mayer verfasst.
Durch das Einsetzen eines Lesemeisters im Januar 1535, der die Mönche von der neuen Lehre überzeugen sollte, und der herzoglichen Klosterordnung im Juli 1535 waren zahlreiche Austritte zu verzeichnen. Zurück blieben vierzehn Mönche unter der Führung des Priors Leonhard Joß.
Anno domini 1534 starb der erwirdig
in gott vatter, herr Johannes von fridingen
abt zu bebenhusen, der funff und zwaintzgest,
und haut verlassen disen convent, wie
dan her nach statt:Die alten chrysten Die luterssen Felix hauber Mathias hopp Stephanus boller Caspar von nagolt Conradus Ryttlinger Johannes greninger Johannes hagenlocher Michael schwartzenberger Johannes dammer Johannes koler Michael stopper Conradus dupß Johannes rysch Hainricus eninger Paulus weller Johannes strub Dionisius miller Johannes gerbe Marcus Kopp Martinus lotzer Leonhardus ioß Johannes kalber Johannes mayer Conradus vahinger Wendelinus wertz Caspar schorndorffer Sebastianus lutz Dionisius beblingerer Mathias semberger Petrus leytze Georgius freuel Marcus ungelter Georgius schell Johannes frosch Vitus amma Jacobus de backana bruder hans bruder conrat Johannes huber novitz
Michi vivere christus est
JM [Johannes Maier]
VIII.21 Revers und Obligation des Abts Eberhard Bidembach
1560 November 26
Ausfertigung, Pergament, 1 Siegel anhängend, 35,0 × 59,4 cm
HStAS A 474 U 107Zur Vergrößerung bitte hier klickenMit der württembergischen Klosterordnung vom Juli 1535 wurde den Mönchen der Austritt aus dem Kloster erleichtert. Durch das Angebot einer jährlichen Rente, dem Leibgeding, oder einer einmaligen Abfindung war für ihre finanzielle Absicherung gesorgt. Dafür mussten die Mönche mit Einsetzen ihres Namens in ein vorgefertigtes Formular bestätigen, dass sie in jungenn unverstenndigenn tagen auß ainem göttlichen eyffer, doch on verstannd ins Kloster eingetreten waren.
Johannes Maier von Calw gehörte zu insgesamt vierzehn Mönchen, die in den Austritt einwilligten. Bereits zwei Wochen später immatrikulierte er sich neben vier ehemaligen Mitbrüdern an der Universität Tübingen und schlug damit die vorgesehene geistliche Laufbahn für den evangelischen Kirchendienst ein. Bestätigt wird der Revers durch das Siegel der Stadt Tübingen.
Ich, Johannes Maier von Calw, bekhenn offennlich mit dem brieff für mich unnd all meine erbenn, nachdem ich in meinenn jungenn unverstenndigenn tagen auß ainem göttlichenn eyffer, doch on verstannd unnd grund der geschrifft, in das closter Bebennhusenn mich Gott meinem herrenn darinnen zu dienen, meiner seel hail zu suchen, begeben, unnd aber durch Gottes unußsprechennliche guete und sein gnadennrych wort, so in disenn letstenn zeitenn widerumb clarer dann vor ettlich hundert jarn an tag khommen, unnderricht, das mir solch closterlebenn, von wegenn anhanngennder irriger mißgloebenn, grylicher abgottery, ouch annderer beschwärlicher, unchristennlicher verstrickung des gewissenns, mer schädlich dann fürderlich. Derhalbenn hab ich mit härtzlicher danncksagung der vätterlichenn trew mir durch den durchleuchtigenn hochgepornen fürstenn unnd herrn, herrn Ulrichen, hertzogenn zu Würtemperg unnd Teckh, graven zu Mümpelgart etc., mein gnädigenn herrn, aussr ganntz christennlichem unnd fürstlichem gemuet angepottenn und bewisenn, statgebenn unnd mir solche, mein ungegründt lebenn in ain christlichenn, seligenn stannd zu verennderenn.
VIII.13 Revers der Bebenhäuser Mönche
1535 November 17
Ausfertigung, Pergament, 2 Siegel anhängend, 25,8 × 60,6 cm
HStAS A 474 U 99Zur Vergrößerung bitte hier klickenDer bis Herbst 1535 im Kloster verbliebene Teil des Bebenhäuser Konvents hatte die Aufforderung erhalten, sich für den Abzug in ein anderes Kloster zu rüsten. Es war ein Sammelkloster eingerichtet worden, um dort alle closter und Ordens personen […] Zusamen in ain Closter Ze thun, und mit noturfftiger underhaltung, Darzu mit predigern und lesmeistern […] versehen zu können.
Unter der Leitung des Priors Leonhard Joß hatten die Bebenhäuser Mönche den Herzog im Oktober schriftlich darum gebeten, stattdessen zu einem Kloster ihres Ordens abreisen zu dürfen. Dieser Bitte hatte der Landesherr entsprochen, sodass die verbliebenen Konventualen mit dieser Urkunde ihren Abzug bestätigen. Darin betonen sie, dass sie die neue Ordnung wegen ihres gewissens nit Annemen könnten und bitten, ihre Biechlin, Claidlin und anderm, so wir zů täglichem bruch bisher in unseren Zellen gehabt, mitnehmen zu dürfen.
Da sie als Closter personen nit aigen Innsigel hatten, signierten sie stattdessen handschriftlich diesen Revers. Die anhängenden Siegel stammen von den beiden württembergischen Verordneten, dem Erbmarschall Hans Konrad Thumb von Neuburg und Hans Harder von Gärtingen.
Leonardus Joß de Ilsfeld Johannes mayer de meringen Steffanus Bolle de pfullendorff Wendelinus Wertz de Sindelfingen Cunradus Kaüß von Ryttlingen Sebastianus Lutz de tubingen Johannes fabri de hagenloch Mathias Sempberg de Neuffen Johannes demer de urach Georgius frefell de tubingen Johannes reisch de kanstat bruder conrat von weildorff Paulus Wäller de pfullingen Dionisius miller da Ehinen
VIII.17 Resignationsurkunde des Abts Sebastian Lutz
1560 Januar 11
Ausfertigung, Pergament, 1 Siegel anhängend, 54,0 × 79,2 cm
HStAS A 474 U 106
(Ausgestellt: Reproduktion)Zur Vergrößerung bitte hier klickenSebastian Lutz hatte zunächst zwölf Jahre als Kaplan unter Abt Johannes im Kloster Bebenhausen verbracht, bis der Abt verstarb und der Konvent durch die Reformation zerrissen wurde. Nach Stationen in den Klöstern Salem, Stams (Tirol) und Tennenbach im Schwarzwald war Lutz vom verbliebenen altgläubigen Konvent am 17. November 1547 — zwölf Jahre nach dem Auszug aus Bebenhausen — zum neuen Abt von Bebenhausen gewählt worden.
1549 kehrte er mit seinem Konvent nach Bebenhausen zurück. Trotz einiger Schwierigkeiten scheint es ihm gelungen zu sein, den Bestand des Klosters zu halten und neue Novizen zu gewinnen. Nach dreizehn Jahren im Amt legte er sein Amt nieder, was er mit dieser Urkunde, seinem Siegel sowie seiner eigenhändigen Unterschrift bestätigte. Er bezog den Tübinger Pfleghof des Klosters als Altersruhesitz und erhielt eine jährliche Leibrente. Lutz verstarb jedoch nur wenige Monate später und wurde in der Stiftskirche in Tübingen beigesetzt.
VIII.21 Revers und Obligation des Abts Eberhard Bidembach
1560 November 26
Ausfertigung, Pergament, 1 Siegel anhängend, 35,0 × 59,4 cm
HStAS A 474 U 107Zur Vergrößerung bitte hier klickenEberhard Bidembach wurde im November 1560 zum ersten evangelischen Abt des Klosters Bebenhausen ernannt. Zuvor hatte er in Tübingen studiert, war zum Ehrendoktor der Theologie und nach Stationen in Herrenberg und Vaihingen an der Enz zum Generalsuperintendenten und herzoglichen Rat ernannt worden.
In Bebenhausen unterstützte Bidembach zunächst Abt Sebastian Lutz als Koadjutor bei der Verwaltung des Klosters sowie bei der Leitung der Klosterschule, bevor er nach dessen Tod ins Amt eingesetzt wurde. Dabei wurde darauf geachtet, die traditionellen Erfordernisse des Kirchenrechts zu erfüllen, sodass seine Stellung reichsrechtlich ebenso legitimiert war wie die seiner altgläubigen Vorgänger.
Er wolle sein Amt mit getrewem fleiß, Ernst unnd eiffer verrichten und bestätigte dies durch sein Siegel sowie seine eigenhändige Unterschrift: Ego Eberhardus Abbas in Bebenhusen ⁄ manu propria subscripsi.
VIII.24 Papst Gregor I. als Glasgemälde
[Um 1520], südwestdeutsch
Hüttenglas, 53 × 41,4 cm
Landesmuseum Württemberg, Inv. Nr. E 742Die Scheibe zeigt Papst Gregor den Großen, einen der vier Kirchenväter, zurückgezogen im Gehäuse und in die Lektüre vertieft. Sein Haupt krönt die goldene Tiara, das päpstliche Attribut. Während im Hintergrund ein Rundbogen den Blick auf eine Baumlandschaft und dörfliche Siedlung freigibt, verdichtet eine reiche Renaissancearchitektur im Inneren den Eindruck von geistlicher Abgeschiedenheit. Gregor hat an einem Lesepult Platz genommen, welches seitlich mit verschiedenen Schreibwerkzeugen bestückt ist. Vor ihm aufgeschlagen liegen mehrere Bibelcodices; die halboffene Schublade des Möbels vermittelt rege Lese– und Schreibtätigkeit. Im klösterlichen Kontext Bebenhausens könnte das intensive Bibelstudium auch auf die "lectio divina" – die geistliche Schriftlesung — hindeuten, welche im Mönchtum einen wichtigen Raum einnahm. Bemerkenswert ist die Scheibe besonders im Hinblick auf ihre Entstehung während der Frühzeit der Reformation. Im damaligen Bildrepertoire könnte die anachronistische Darstellung des Kirchenvaters durchaus programmatischen Charakter gehabt haben – eine Art Selbstvergewisserung und Bekenntnis zur kirchlichen Autorität am Vorabend des konfessionellen Umbruchs.
Eine Notiz im Inventar des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart legt für das Stück eine Provenienz aus Kloster Bebenhausen nahe. Da die Kirchenväter ein beliebtes ikonographisches Programm für die Ausstattung von Klosterbibliotheken waren, lässt sich als ursprünglicher Standort der Scheibe einer der Bibliotheksräume annehmen. Der Grund für den Ausbau muss in den Folgen des Uracher Götzentages und des württembergischen Bildermandats gesehen werden, nach denen die Bildnisse Heiliger als „ärgerlich“ angesehen wurden.
VIII.35 Die Kanzel in der Klosterkirche
[1575/1580], Konrad Wagner
Stuck, Holz, Ziegelstein, polychrome Fassung
Klosterkirche Bebenhausen, Nordwestlicher VierungspfeilerMitte der 1570er–Jahre beauftragte Eberhard Bidembach, seit 1560 erster evangelischer Abt in Bebenhausen, den Leonberger Bildhauer und Stukkateur Konrad Wagner mit dem Einbau einer Kanzel in die ehemalige Zisterzienserklosterkirche. Diese Kanzel wurde von kunsthistorischer Seite bisher wenig beachtet, was daran liegen mag, dass die künstlerische Qualität in der Ausführung zu wünschen übrig lässt. Interessant ist die Bebenhausener Kanzel aus anderen Gründen: Ihre außergewöhnliche Ikonographie verkörpert ein lutherisches Bildprogramm, das sie in Beziehung mit wichtigen Persönlichkeiten der Reformation und bedeutenden reformatorischen Kunstwerken in Württemberg setzt.
Heute fällt die Stuckkanzel, die über einem Kern aus Ziegelstein und Holz errichtet ist, zunächst durch ihre Farbenpracht auf. In der schlichten romanischen Pfeilerbasilika ist die farbenfrohe Kanzel ein Blickfang – ein Effekt, der vom Auftraggeber beabsichtigt gewesen sein dürfte. Denn die lutherische Renaissancekanzel ist nicht mehr Teil der Architektur, sondern ein selbstständiges Stück der Inneneinrichtung. Konrad Wagner hatte die nach aktuellster Mode gestalteten Ornamente von seinen Studienreisen nach Italien mitgebracht und war als Stukkateur wohl auch für die Wahl des für Kanzeln dieser Zeit untypischen Materials verantwortlich. Durchaus üblich war dagegen, dass Portal und Träger als Kanzelfundament ikonographisch Bezug auf das Alte Testament nehmen, beispielsweise zeigt das Giebelfeld des Kanzeltors außen ein Relief mit der Opferung Isaaks durch Abraham und auf der Innenseite die Tötung eines Löwen durch Simson.
Das Bildprogramm dieser Kanzel hatte Herzog Christoph sicher ausführlich mit seinen theologischen Beratern besprochen, allen voran mit Stiftspropst Johannes Brenz und Hofprediger Balthasar Bidembach. Beide stehen in enger Beziehung zu Eberhard Bidembach, der den Schmuck der Bebenhausener Kanzel als Auftraggeber und promovierter Theologe maßgeblich konzipierte: Balthasar war sein jüngerer Bruder, Johannes Brenz sein Schwiegervater.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass der reiche Kanzelschmuck kein Ausdruck lutherischer Orthodoxie ist, sondern das Bildverständnis zur Entstehungszeit widerspiegelt. Der theologisch anspruchsvolle Schmuck, dessen künstlerische Qualität zweitrangig war, will wie die Predigt ansprechen und deren Inhalte unterstreichen, sie aber keinesfalls ersetzen. Insofern erreichte der Schmuck der lutherischen Renaissancekanzeln einen besonderen Houuml;hepunkt lutherischer Bildkunst.
VIII.46 Der Sebastianspfeil
[1350–1450], Böhmen
Eisen, Holz, Knochen, 37,5 cm
Hirrlingen, Katholische Kirchengemeinde St. MartinusDer Überlieferung nach hatte sich der Heilige Sebastian, Hauptmann der Prätorianergarde, im 3. Jahrhundert am kaiserlichen Hof Diokletians zum Christentum bekannt. Dieser verurteilte ihn daraufhin durch die Pfeile numidischer Bogenschützen zum Tode. Den schwer verwundeten Körper des Märtyrers ließ man liegen. Sebastian überlebte und wurde von der heiligen Irene gesund gepflegt. Sein zweites Bekenntnis zum Christentum vor dem Kaiser überlebte Sebastian jedoch nicht.
1468 hatte Papst Pius II. dem Zisterzienserkloster in Bebenhausen einen Armbrustpfeil geschenkt, der bis zur Reformation als Sebastiansreliquie verehrt wurde. Der Armbrustpfeil, der aus Eisen, Knochen und Holz besteht, wurde in der Zeit zwischen 1350 und 1450 in Böhmen gefertigt.
Im Mittelalter wurde der Heilige Sebastian als wichtigster Schutzpatron gegen die Pest verehrt. Gerade mit der großen Pestepidemie, die 1482⁄83 in Tübingen wütete und auch die Mönche im Kloster nicht verschonte, ist die besondere Bedeutung des Pfeils als Sebastiansreliquie verständlich.
Als die Mönche das Kloster in den Wirren der Reformationsjahre verließen, geriet der Pfeil in Vergessenheit. Alle anderen Reliquien, die sich einst im Besitz des Klosters befanden, gingen in dieser Zeit und in den darauffolgenden Jahrhunderten verloren. Am 5. Oktober 1606 fand Abt Johannes Stecher, der von 1597 bis 1611 der Klosterschule in Bebenhausen vorstand, die einzige bis heute erhaltene Reliquie aus der Zisterzienserzeit auf dem Klostergelände wieder. Stecher erkannte den historischen Wert seines Fundes und konnte aufgrund eines damals noch erhaltenen Schriftstücks die Herkunft des Pfeils bestimmen.
Aufgrund des guten Geschäftssinnes des evangelischen Abtes fand der Pfeil nach der Wiederentdeckung erneut einen Weg in katholische Hände. Für 500 Gulden verkaufte er die Reliquie zusammen mit einem handschriftlichen Attest an den vermögenden Adam von Ow zu Hirrlingen und Sterneck.
Bis heute wird die Reliquie in der Pfarrkirche von Hirrlingen verehrt. Am 20. Januar, dem Tag des heiligen Sebastian, wird der Pfeil den Gläubigen gezeigt. Dabei wird er auf ein silbernes Armreliquiar gesetzt, das noch von Adam von Ow und seiner Frau Veronika von Rechberg gestiftet worden war.
VIII.50 Abendmahlskelch und Patene der Klostergemeinde Bebenhausen
[Um 1650]
Silber, vergoldet
Kirchengemeinde BebenhausenDie ehemalige Klosterkirche wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg sowohl als Seminarkirche für die Klosterschüler genutzt als auch als Pfarrkirche für die Bewohner des kleinen Orts, der sich schon zur Zeit der Zisterzienser um das Kloster gebildet hatte. Der Gottesdienst in der Klosterkirche wurde in der Regel vom Prälaten selbst oder von einem der Präzeptoren gehalten.
Der Abendmahlskelch und die Patene waren von Abt Johann Valentin Andreä beschafft worden, nachdem Abt Joachim beim Auszug aus dem Kloster alle beweglichen Güter mitgenommen oder verkauft hatte.