VI. Die Reformation in den Medien: Literatur, Musik und Kunst
Vorlage: Staatsbibliothek zu Berlin
Die Reformation ist als großes Medienereignis zu begreifen: Auch im deutschen Südwesten war die schnelle und breite Vermittlung der neuen Lehre Martin Luthers und seiner Anhänger von zentraler Bedeutung für ihren Erfolg. Vor allem der Buchdruck in den oberdeutschen Städten spielte dabei eine wichtige Rolle: Theologische und politische Schriften, aber auch Sprüche und Lieder kamen dadurch unter das Volk und wurden weitergetragen. In der Volkssprache und vielfach mit Holzschnitten bebildert, waren Einblattdrucke, Flugblätter und Flugschriften die gängigen und günstigen medialen Formen im öffentlichen Diskurs.
Vor dem Hintergrund der regen humanistischen Literaturszene wurden politische und religiöse Auseinandersetzungen im Druck geführt; Propaganda, Polemik und Satire fanden hier auch drastische Ausdrucksformen und prägten den publizistischen Streit um die Reformation. Dieser Streit zwischen der altgläubigen Partei und den Anhängern der neuen Lehre wurde auch mit künstlerischem Nachdruck geführt. Triumph– und Spottlieder begleiteten das Zeitgeschehen und vermitteln noch immer seine aufgeheizte Stimmung. Die zahlreichen neuen Kirchenlieder von Martin Luther oder Ambrosius Blarer wirkten daneben bei der Verkündigung und Manifestation des evangelischen Glaubens durch die Gemeinden.
Und schließlich waren es Bildwerke, die dem neuen Glauben kunstvollen Ausdruck verliehen: Das Gotteswort rückte auch hier in den Mittelpunkt der reformatorischen Bildsprache; großformatige, vielgliedrige Flügelaltäre, wie der berühmte Mömpelgarder Altar, stehen dafür. Auch Tafelbilder der Reformatoren und ihrer Fürsten, Münzen und Medaillen trugen die Bild– und Porträtsprache der Reformation weiter. Sie erhalten die Erinnerung daran bis in unsere Tage: Freiheit – Wahrheit – Evangelium stehen nach wie vor prominent im gesellschaftlichen Diskurs.
VI.1 Der zwölfjährige Christus im Tempel
Einzeltafel aus dem Mömpelgarder Altar (Außenseite des ersten rechten Flügels)
Heinrich Füllmaurer, um 1538⁄40
Fichtenholz, Darstellung: 41 × 28 cm, Altar:
ca. 185 × 202 cm (bei geschlossenen Flügeln) bzw. ca. 185 × 404 cm (bei geöffneten Flügeln)
Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 870Zusammen mit dem sogenannten Gothaer Altar, seinem in Bildauswahl und Aufbau annähernd identischen "Zwillingsbruder", gilt der Mömpelgarder Altar nicht nur als der bilderreichste Altar der deutschen Kunst überhaupt, sondern auch als herausragendes Beispiel einer reformatorischen Bildkultur: Mitteltafel und Flügel beider Werke nehmen jeweils etwa 160 gemalte Einzelszenen auf, die das Leben, Wirken und Leiden Christi von der Verkündigung seiner Geburt an Maria bis zur Wahl des Matthias zum Apostel umspannen. Sie werden jeweils von einer Kartusche mit erläuternden deutschen Texten samt Verweisen auf die entsprechenden Passagen in den Evangelien überfangen.
Diese optisch dominierenden Inschriften streichen den lehrhaften Charakter beider Polyptychen im Sinne des reformatorischen Leitgedankens der Sola scriptura (Allein durch die Schrift) heraus. Während die malerische Ausführung heute einmütig dem in Herrenberg ansässigen Heinrich Füllmaurer (um 1500–1547⁄48) bzw. seiner Werkstatt zugeschrieben wird, dürfte der mit dem Maler befreundete Herrenberger Pfarrer und spätere Stuttgarter Hofprediger Kaspar Gräter das Bildprogramm festgelegt haben.
Die reformatorische Stoßrichtung tritt aber auch in der Gestaltung einzelner Episoden zutage, wie auf dem Mömpelgarder Altar besonders die Darstellung des zwölfjährigen Christus im Tempel deutlich macht. Nach dem Evangelium des Lukas (2,41–52) hatte der Knabe seine Eltern auf ihrer alljährlichen Wallfahrt nach Jerusalem begleitet, um das Passahfest zu feiern. Als sie auf der Rückreise das Fehlen ihres Sohnes bemerkten und nach ihm suchten, fanden sie ihn schließlich im Tempel, wo er mit den Schriftgelehrten disputierte. Füllmaurer konnte für seine Fassung auf Vorbilder (beispielsweise auf Dürers Holzschnitt aus dem Marienleben von 1503) zurückgreifen, fügte jedoch eine neue Gestalt hinzu: Sie sitzt inmitten der kreisrund angeordneten Disputanten und schaut andächtig lauschend zu Christus empor; bekleidet mit goldschimmernder Mönchskutte und Doktorhut, trägt sie unverkennbar die Züge Martin Luthers. Indem er Luther in Gestalt eines lernenden Doktors in die biblische Szene integrierte, brachte der Maler die zentrale reformatorische Vorstellung von Christus als alleinigem Heilsbringer (solus Christus) sinnfällig zum Ausdruck.
VI.13 Luther im Bett
1513, Basel: Michael Furter. Handschriftlicher Nachtrag [16. Jahrhundert]
29,3 × 21,4 cm, 51 Blatt
UB Freiburg E 1940, Blatt 35rZur Vergrößerung bitte hier klickenDas Buch "Der Ritter von Turn" erschien zuerst 1493 bei Michael Furter in Basel im Druck. Marquard vom Stein, württembergischer Landvogt von Mömpelgard, verfasste es für seine Töchter Elsa und Jacobea. Der Text ist eine Übersetzung und Umarbeitung des gleichnamigen Buches des französischen Ritters Geoffroy de La Tour Landry. Das Werk sollte jungen Frauen durch einzelne musterhafte Geschichten die Tugenden der weiblichen Frömmigkeit nahe bringen. Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Holzschnitte war es um 1500 ein vielfach gelesenes und weit verbreitetes Werk.
Das hier gezeigte unvollständige Buchfragment stammt aus einem 1513 wiederum von Michael Furter in Basel gedrucktem Exemplar. Das Blatt 35r dieser Ausgabe stellt die Szene dar, in welcher ein Mönch, der mit einer Frau im Bett liegt, von dem betrogenen Ehemann niedergestochen wird. Diese ist durch den handschriftlichen Nachtrag "Martin Luther" über dem Kopf des Mönches ergänzt worden. Der zeitgenössische Zusatz macht deutlich, dass die Auflösung des Zölibats, welche ein wesentliches Element der lutherischen Lehre war, die Gesellschaft im frühen 16. Jahrhundert in ihrem religiösen Streit sehr bewegte.
VI.17 Thomas Murner: Ain new lied von dem undergang des Christlichen glaubens
Michael Stifel: Ain ander Lied darwider vom Auffgang der Christenhait. Jn d. Mur. Veiten ThonDer elsässische Franziskaner Thomas Murner (1475–1537) war einer der begabtesten Kritiker der Reformation. Seine humanistische Bildung und literarische Fähigkeit hatte er durch die Edition antiker Klassikertexte und Übersetzungen sowie durch gesellschaftskritische Satiren unter Beweis gestellt. Obwohl auch er einen dringenden Reformbedarf in der damaligen Kirche erkannte, sah er mit Luthers Bewegung die Gefahr der Kirchenspaltung nahen. Seit 1520 in Straßburg tätig, verfasste er zunächst anonyme Schriften gegen Luther, übersetzte schließlich Luthers "De captivitate babylonica" zur Warnung ins Deutsche und trat dann offen unter Nennung seines Namens gegen die Reformation ein. Im vorliegenden Klagelied nutzte Murner seine lyrische Erfahrung, um die Folgen der Reformation sprachlich eingängig zu verdeutlichen. Der Text sollte, wie Murner vorgab, im Ton des "Bruder Veit" gesungen werden – eine für politische Lieder der Zeit bekannte Melodieform. Murner reagierte auf ein kurz zuvor publiziertes proreformatorisches Loblied des Esslinger Augustiners Michael Stifel (ca. 1487 1567).
Mit der Reformation sah Murner den Untergang des christlichen Glaubens gekommen. Als Belege wurden u.a. genannt: die Abschaffung der Ämterhierarchie zugunsten der Volkswahl des Pfarrers, die auf Taufe und Abendmahl reduzierte Zahl der Sakramente, die Zerschlagung von Mönchtum, Heiligen und Marienverehrung sowie christlicher Kunst.
Verkaufstechnisch geschickt verband die Augsburger Offizin Steiner Murners Lied mit einem Gegenlied Stifels. Darin wurde Murner in seinem Verhalten mit einem Kater verglichen und polemisch als "Murmaun" und "Murnar" bezeichnet. Dem stellte Stifel als Held, der neulich gestanden auff, Martin Luther gegenüber.
1522, Augsburg: Heinrich Steiner
20,5 × 15,5 cm, 4 Blatt
WLB Stuttgart D.D.qt.K.175
Audioversion auf CD, Nr. 14
VI.19 Michael Stifel: Von der Christfermigen rechtgegründten leer Doctoris Martini Luthers ain überauß schön kunstlich Lied. Sampt seyner neben außlegung; in bruder Veyten Thon
Der Esslinger Augustiner Michael Stifel (ca. 1487–1567) nahm mit seiner didaktisch geschickt gestalteten Schrift Stellung zugunsten seines Ordensbruders Luther. Er musste danach seinen Konvent verlassen.
Kern des Buches ist ein mehrstrophiges Loblied über Luther, das von ausführlichen Kommentaren begleitet wird. Die Melodieform des "Bruder Veit" konnte im südwestdeutschen Raum als bekannt vorausgesetzt werden. Die lyrische Textstruktur in Verbindung mit dem Gesang wirkte eingängig und eröffnete die Möglichkeit, proreformatorische Apologetik auf Marktplätzen vor einer breiteren Öffentlichkeit zu betreiben. Stifel ging es um den Nachweis der Rechtgläubigkeit Luthers. Der erste Teil der Schrift bezieht sich auf Luther und die Reformation allgemein, der zweite auf seine Lehre. Dabei sollte die Zentrierung auf Christus und das Heilsgeschehen aus Gnade ("Christfermige leer") in Wechselwirkung zur Orientierung an der Bibel (Schriftgemäßheit) herausgestellt werden. Das Lied entfaltet in enger Anlehnung an die Bibel die Heilsgeschichte und die persönliche Beziehung zu Gott. Der Kommentar zitiert die zugehörigen biblischen Belege.
Stifel betonte die exklusive Bedeutung der Bibel als Erkenntnisgrundlage Luthers: Zum andern lert er eben mit gschrifften klar bestympt. Schrifft ⁄ schrifft ⁄ schreyt Luther überlaut. Dazu passend fügte der Drucker einen Holzschnitt bei, der Luther als Mönch mit der Bibel als Attribut zeigt. Luther wurde hier nicht mit individuellen Gesichtszügen dargestellt, sondern generisch als Mönch. Das unterscheidend Neue sollte aber in der Bedeutung der Bibel als Kriterium für authentische Frömmigkeit liegen.
1522, Augsburg: Philipp Ulhart d. Ä.
20,2 × 16 cm, 24 Blatt
WLB Stuttgart Theol.qt.6892
Audioversion auf CD, Nr. 12
VI.22 Spottmedaillen auf die katholische Kirche
Mitte des 16. Jahrhunderts
Silber, Dm. 38 mm, 17,18 g, Dm. 32 mm, 15,74 g,
Dm. 38 mm, 23,25 g, Dm. 30 mm, 8,68 g
Landesmuseum Württemberg, Inv. Nr. MK 22251–MK 22253 und MK 22255In der Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden Medaillen, mit denen die Anhänger der neuen Lehre die Würdenträger der katholischen Kirche verspotteten. Diese Werke haben nicht nur zwei Ansichten auf Vorder– und Rückseite, sondern vier. Denn wenn diese Medaillen um 180° gedreht werden, so kommt es zu dramatischen Verwandlungen: Der Papst mit der Tiara auf dem Haupt wird zum Teufel, der Kardinal mit seinem flachen Hut wird zu einem Narren mit Eselsohren.
Es bedurfte keiner tiefen theologischen Kenntnisse, ja nicht einmal der Fähigkeit zu lesen, um diese Spottmedaillen und ihre antikatholische Polemik zu verstehen.
VI.24 Hans Sachs: Wo das haws nit bawet der Herr
Unter den abgelösten Einbandfragmenten im Hauptstaatsarchiv Stuttgart ist dieses Pergamentblatt entdeckt worden. Es trägt den Text des vierstrophigen Psalmliedes "Wo das haws nit bawet der Herr" (Psalm 127) von Hans Sachs sowie die Melodie mit dem Textbeginn am Fuß. Der berühmte Nürnberger Dichter und Meistersinger Hans Sachs (1494–1576) war als Anhänger der Reformation bereits bald bekannt und Autor zahlreicher Flugblätter und Flugschriften mit Liedern und Sprüchen für die Reformation.
Das Stuttgarter Fragment hat als Überlieferungsträger eine besondere Bedeutung, weil unter dem ersten Vers der Doxologiestrophe Eer sey dem vatter unnd dem son auch die Melodie aufgezeichnet ist. Das war bei solchen Überlieferungsformen durchaus nicht üblich. Die Melodie steht in E und beginnt mit dem Quintton h, der im damaligen Tonraumdenken als nota sensibilis beachtet wurde; in ihrer Kontur ist sie gut mit der Melodie zu Luthers Psalmlied "Es wolt uns Gott genedig sein" (Ps. 57) zu vergleichen. Die Melodie ist mit den Zeichen der weißen Mensuralnotation aufgezeichnet (Brevis, Semibrevis, Minima), die hier vereinfacht einen doppelten, einfachen und halben Notenwert anzeigen.
1) Wo das haws nit bawet der Herr,
so arbayten vmbsunste
alle die daran bawen seer.
Wo nit der herr durch gunste
selber behieten ist die stat
durch sein bawung gůt vnnd genad,
so wacht vmbsunst der wächter.2) Vmbsunst ist das ir frů auffstat
vnnd arbayt lang in schwere,
vnnd esset das hardtsälig brot.
Dann wem es gůndt der herre,
dem gibt ers schlaffend senfft vnd lindt.
Das erb vom herren seind die kind,
der lon die frůcht des leibes.
VI.25 Ambrosius Blarer übersendet ein Lied nach Esslingen
Im Herbst 1531 hatte der Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer (1492–1564), der schon von den Zeitgenossen als "Apostel Schwabens" bezeichnet worden ist, die Aufgabe übernommen, die neue Lehre in der Reichsstadt Esslingen einzuführen. Während dieser Zeit wohnte er offenbar bei dem dortigen Stadtschreiber Johannes Machtolf, zu dem sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte. Aus der Zeit von 1531 bis 1549 ist ein Konvolut von 35 Briefen überliefert, die Ambrosius Blarer an diesen Freund schrieb. Nach seinem Weggang aus Esslingen im Juli 1532 nämlich versuchte Blarer über Machtolf weiter Einfluss auf die kirchliche Entwicklung der Neckarstadt zu nehmen. Themen der Briefe sind u. a. der Esslinger Prädikatenstreit zwischen den Predigern Johannes Otter und Martin Fuchs oder aber der Umgang mit den Täufern, bei dem der Reformator zur Mäßigung aufruft.
Neben einem achteinhalb Seiten umfassenden Gebet von der Hand Blarers ist als Anhang zu einem Brief vom 1. Mai 1533 hier auch ein Lied aus seiner Feder überliefert, das an Himmelfahrt zu singen sei. Mit der Abschaffung von Messe und Bildern war das Werk der prominenten Reformatoren eben nicht getan, sie mussten vielmehr für den Ersatz der alten durch neue Gebete und Gesänge sorgen.
Das hier überlieferte Lied "Freu dich mit Wonne fromme Christenheit und sing mit grossem Schalle" hat Eingang in das Konstanzer Gesangbuch von 1540 gefunden, wo die Brüder Ambrosius und Thomas Blarer und ihr Vetter Johannes Zick erstmals Liedgut unterschiedlicher Zentren der Reformation von Wittenberg bis Basel zusammenführten. Sie schlugen damit nicht nur eine Brücke zwischen lutherischen und oberdeutsch reformierten Kirchen, sondern trugen wesentlich zur Verbreitung des Liedgutes als Ausdruck der neuen Frömmigkeit bei.
1) Froew dich mit wünn fromme Christenhait
vnd sing mitt grossem Schalle,
das dir hutt ist vffthon selikait,
din find sind gschlagen alle
durch den vor lang verhaisnen man,
Christum, den sich mitt globen an.
Gen himel ist er gfaren.6) So gib vns herr gloub vnd glassenhait
nach diner junger arte,
das din kirch still vnd in ainikait
mitt bett des pfingstags warte,
da vns die krafft von oben rab
vernuw vnd din will statte hab
in allen vnserm leben.7) Damit wann dü letstlich widerkompst,
lebend vnd tod zu richten,
vnd mitt dem feldgschray die greber rumpst,
all krümme recht zů schlichten.
Das wir standind zůr rechten hand,
bsytzind mitt dir das vatterland
vnd singind Alleluia.
VI.28 Das Effringer Gesangbuch
Dieses Fragment eines Gesangbuchs wurde 1838 in der Evangelischen Kirche in Effringen gefunden. Effringen gehört heute zur Stadt Wildberg im Schwarzwald und zählte mit der Herrschaft Wildberg bereits im 15. Jahrhundert zur Grafschaft Württemberg.
Das Effringer Gesangbuch umfasst 23 handschriftlich und beidseitig beschriebene Blätter. Es dürfte sich hierbei um den Rest einer umfangreicheren Vorlage handeln. Das vorliegende Fragment wurde 1879 restauriert, die einzelnen Blätter wurden mit Passepartouts aus Kartonpapier versehen. Solche "Groß–Gesangbücher" wurden für die Anleitung des Kirchengesangs durch den Kantor der Kirchengemeinde benötigt. Das Gesangbuch lag auf einem Pult, vor dem die Schüler standen. Der Kantor deutete mit einem Stab auf die Noten und brachte den Schülern so die neuen evangelischen Kirchenlieder bei. Nicht jede Gemeinde konnte sich jedoch ein gedrucktes Gesangbuch leisten, weshalb auch handschriftliche Kopien angefertigt wurden.
Da das Herzogtum Württemberg erst 1583 das erste offizielle Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Württembergherausbrachte, orientierten sich bis dahin viele Gemeinden an den Gesangbüchern aus Straßburg. Auch das vorliegende Fragment stellt eine Kopie des Straßburger Gesangbuchs von 1541 dar. Es enthält sowohl oberdeutsche als auch lutherische Lieder, was den konfessionellen Bedürfnissen der württembergischen Kirche nahe kam und so den evangelischen Gemeindegesang in Württemberg prägen konnte.
[Nach 1541]
Papier, 28 × 19,2 cm, Fragment
Landeskirchliche Zentralbibliothek Stuttgart A13 1553/H31
Audioversion auf CD, Nr. 34Kyrie Straßburg
34 Kyrie, Straßburg 1524.mp3 (mp3/1.07 MB)
VI.33 Christus als Salvator Mundi
Mittelrheinischer oder süddeutscher Meister
1506 (?)
Mischtechnik auf Lindenholz, 40,2 × 27 cm
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. Nr. 1563Der "Salvator Mundi" erscheint als ein Brustbild des segnenden Christus, der dem gläubigen Betrachter wie bei einer Ikone frontal zugewendet ist und in seiner linken Hand einen Globus hält. Der Titel "SALVATOR" (Erlöser⁄Retter) ist auf den Halssaum der blauen Tunika gestickt. Die Beifügung "MUNDI" (der Welt) ergibt sich aus dem Globus, der allerdings eher die Himmels– als die Erdkugel meint: Die blaue Sphaira symbolisiert die universale, Himmel und Erde umfassende Herrschaft Christi. Der rote Mantel über der rechten Schulter unterstreicht den hoheitsvollen Aspekt. Es ist der Spottmantel des "Königs der Juden", den auch der Auferstandene, der Triumphator über den Tod, trägt.
Das Karlsruher Gemälde besitzt noch seinen originalen Rahmen und weist auf der Rückseite eine als Datierung zu deutende Zahl "15(darüber eine Null)6", also 1506, auf.
Dieses Gemälde gilt als ein großartiges Zeugnis privater Frömmigkeit. Es hat seine Wurzeln in der altniederländischen Kunst des 15. Jahrhunderts (Rogier van der Weyden, Hans Memling, Quinten Massys) und der gleichzeitig blühenden "devotio moderna", jener religiösen Erneuerungsbewegung, durch die auch die private Andacht vor Bildern befördert wurde. Schauend, meditierend und betend suchte man das ewige Heil zu erlangen.
Die Darstellung des Salvators war ganz im Sinne Martin Luthers. In seinem 1529 gedruckten "Großen Katechismus" heißt es: "Wo nicht Christus als unser einziger Erlöser verkündigt wird, ist kein Heiliger Geist und keine Kirche." Der Gläubige empfängt am Jüngsten Tag das Geschenk der Gnade, so die Vorstellung des Reformators. Denn Christus kommt nicht als strenger Richter, sondern als Retter, der den Weg zu Gott bahnt.