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14.12.2020

Akten mit Informationen zu ehemaligen Verschickungskindern sollen aufbewahrt werden

Kindererholung auf Kreisebene, Staatsarchiv Ludwigsburg
Kindererholung auf Kreisebene, Bildvorlage: Staatsarchiv Ludwigsburg

Derzeit beginnen viele ehemalige Verschickungskinder, ihre eigene Geschichte zu erforschen. Zugleich stehen viele der dafür einschlägigen Akten zur Entscheidung über Archivierung oder Kassation (Vernichtung) an. Das Landesarchiv sowie die Arbeitsgemeinschaften der Kreisarchive und der Stadtarchive empfehlen öffentlichen Verwaltungen in Baden-Württemberg deshalb jetzt ein Anbietungsmoratorium bis Ende 2025.

In den Ämtern und Behörden haben sich über die Jahrzehnte viele Kilometer Akten angesammelt. Diese alten Akten können nur in kleiner Zahl in die Archive übernommen werden. Der Rest wird vernichtet. Das Landesarchiv Baden-Württemberg und die Arbeitsgemeinschaften der Kreisarchive und der Stadtarchive empfehlen den öffentlichen Verwaltungen daher, alle relevanten Unterlagen mit Bezug auf Verschickungskinder bis Ende 2025 aufzubewahren und nicht auszusondern. Außerdem sollen Archive bei Anbietungen vor dem 31. Dezember 2025 auf das Moratorium hinweisen. Damit hätten Verschickungskinder vorerst bis 2025 Gelegenheit, ihre eigene Geschichte zu erforschen.

Das Anbietungsmoratorium soll sicherstellen, dass die Akten bis zu ihrer Bewertung durch die Archive in den Behörden genutzt werden können – von den Betroffenen und der Forschung. Mit ihrer Hilfe können individuelle Fragen geklärt werden, zum Beispiel nach der Geschichte der Einrichtung, in der eine Person Leid erfahren hat. Ebenso können sie Antworten auf strukturelle Fragen geben: Wie war die Aufsicht der Einrichtungen organisiert, wie der Personalschlüssel, wie viele Einrichtungen gab es überhaupt? Anhand von Akten lässt sich auch eine historische Entwicklung nachvollziehen, wie beispielsweise personelle Kontinuitäten aus der NS-Zeit oder die Veränderung pädagogischer Konzepte.

Hintergrund

Ehemalige Verschickungskinder berichten in großer Zahl von traumatisierenden Erfahrungen in sogenannten Erholungsheimen. Wie auch ehemalige Heimkinder vor ihnen fordern sie Aufarbeitung – individuell und gesellschaftlich. Dafür sind historische Unterlagen unerlässlich. Am Landesarchiv Baden-Württemberg besteht seit Jahren eine Projektstelle für diesen Themenkomplex. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre heraus entstand nun dieses Anbietungsmoratorium.