Lehr- und Wanderjahre von Johann Gottfried Tulla
Als „Bändiger des Rheins“ veränderte Johann Gottfried Tulla in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die Kulturlandschaft des Oberrheingebiets grundlegend. Vor 250 Jahren, am 20. März 1770, wurde der geniale Wasserbauingenieur in Karlsruhe geboren. Ein spektakulärer Archivalienfund im Generallandesarchiv Karlsruhe bringt rechtzeitig zu seinem 250. Geburtstag nun Licht in die Lehrjahre Tullas.
Seit seiner Schulzeit wurde Tulla systematisch durch Markgraf Karl Friedrich von Baden auf seine künftigen Aufgaben vorbereitet. Reisen und Lehraufenthalte wurden aus der badischen Staatskasse finanziert; der Erfolg in ausführlichen Berichten regelmäßig überprüft. Es kam einer kleinen Sensation gleich, als dem Generallandesarchiv vor kurzem von dem Freiburger Ehepaar Dr. Gudrun und Dr. Joachim Schwalber ein Konvolut mit Karten des Oberrheingebiets geschenkt wurde. Darin befanden sich drei Stücke, die sich so gar nicht auf diesen Raum beziehen ließen, aber eindeutig Johann Gottfried Tulla zuzuweisen sind.
Der junge Geometer hielt sich seit Juni 1792 in Gerabronn (Lkr. Schwäbisch Hall) auf. Die Stadt gehörte damals zum Markgraftum Ansbach. Der renommierte Mathematiker Karl Christian von Langsdorf (1757–1834) war in jenen Jahren dort Salinendirektor. Die Karlsruher Verwaltung sah in ihm den geeigneten Wissenschaftler, um Tulla in Mathematik, Statik und Geometrie auf den aktuellen Stand der Forschung zu bringen. Offensichtlich gehörte auch das Anfertigen von Karten und Plänen zu den Aufgaben von Tulla, wie die drei neu entdeckten Stücke belegen, darunter ein Entwurf für eine Brücke in Bächlingen sowie ein Plan der Saline im Brettachtal.
Von besonderer Bedeutung ist die dritte Karte, die Tulla eigenhändig unterzeichnet hat. Auf ihr erfasste er im Oktober 1792 die Zerstörung einer Brücke durch Hochwasser bei dem kleinen Weiler Liebesdorf bei Langenburg kartografisch und entwarf zugleich einen verbesserten Neubau. Ob Tulla schon damals ahnte, dass er an dem schmalen Lauf der Brettach erstmals erprobte, was ihn später am Rhein weltberühmt machen sollte, nämlich die Herausforderung, wie der Mensch die Gefahren von Flüssen „bändigen“ könne?