Archivale des Monats September 2019
Die Vichy-Regierung in Sigmaringen 1944/1945
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges rückte die bis dahin abseits des Kriegsgeschehens liegende Stadt Sigmaringen in den Fokus der Weltpolitik. Wohl auf persönliche Anordnung Hitlers hin beherbergte sie ab Mitte September 1944 bis zum 21. April 1945 die mit dem Deutschen Reich kollaborierende französische Vichy–Regierung unter Staatspräsident Marschall Philippe Pétain.
Zu dieser für Sigmaringen bedeutenden Umbruchzeit gibt es nur eine überschaubare Zahl schriftlicher Quellen. Denn zeitgenössische amtliche Unterlagen sind gezielten Vernichtungsaktionen zum Opfer gefallen. Wenn man also wissen will, wie die Stadt Sigmaringen mit ihren rund 5.600 Einwohnern – bereits belegt mit Militär, Kriegsverletzten und Evakuierten – die Unterbringung und Versorgung von zeitweise über 1.600 Réfugiés bewältigte oder wie die Bürger Sigmaringens mit den Fremden umgingen, die nun das Straßenbild beherrschten – gestikulierende Männer mit Baskenmützen und stark geschminkte Französinnen–, so erhält man fragmentarische Antworten.
Bilddokumente zur Vichy–Zeit fehlen fast gänzlich. Umso wertvoller ist die abgebildete Fotografie. Sie zeigt mehrere Franzosen vor dem Eingang des Hotels Löwen, dazwischen zwei französische Milizionäre und einen Wehrmachtssoldaten. Die Koffer auf dem Gehweg sprechen für den Moment der Ankunft oder der Abreise zu einem anderen Quartier. Die Fotografie dürfte im September 1944 aufgenommen worden sein. Erst im April 1945 wurde das Bild über die Fotoagentur Acme Newspictures in der amerikanischen Presse veröffentlicht, zusammen mit der Meldung über die Verlegung der Vichy-Regierung nach Sigmaringen. Aus den USA gelangte die Fotografie zurück an den Ort des Geschehens und wird nun im Staatsarchiv Sigmaringen verwahrt.
Ein Archivale aus dem Landesarchiv Baden–Württemberg, Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 1 T 52 Nr. 1.