Quellen zur Hexenverfolgung im Staatsarchiv Wertheim

Archivalienbeispiel: Beginn der Aussage von Margarethe Semler aus Wertheim - Bild Präsentationsseite 2

Einleitung

Bei Ordnungsarbeiten im Staatsarchiv Wertheim sind 1999 neue Quellen zur Hexenverfolgung in der Grafschaft Wertheim aufgefunden worden. Die Hexenverfolgungen in der Grafschaft Wertheim sind in der Forschung bis dahin nur kursorisch behandelt worden (vgl. Beiträge von Weiß und Diefenbacher im Literaturverzeichnis), obwohl sie aus verschiedenen Gründen eine eingehendere Behandlung verdient hätten.

Mögliche Auslöser für die Verfolgungswellen

Zu fragen wäre zunächst, wer die Verfolgungswellen ausgelöst hat, wobei die besondere Lage der Grafschaft in einem weitgehend katholischen Umfeld und die strukturellen Gegebenheiten innerhalb des seit 1611 im Kondominat regierten Territoriums in den Blick zu nehmen wären. Der Verdacht liegt nahe, dass die Kondominatsverfassung, die wegen der dauernden Streitigkeiten unter den regierenden Grafen eine Schwächung für die Herrschaft bedeutete, neue Einflussmöglichkeiten für die Untertanen bei der Initiierung der Hexenprozesse eröffnete. Bekannt ist jedenfalls, dass die Verfolgungswelle von 1629 mit Forderungen aus der Bevölkerung begann. Diese Forderungen waren inspiriert von den Hexenverbrennungen im benachbarten Hochstift Würzburg. Wie stark sich dieses Vorbild allerdings in Wertheim ausgewirkt hat, ist derzeit noch nicht zu beantworten. Geklärt werden müsste auch, welche Rolle die Verwaltung auf der einen Seite und die unter sich zerstrittenen gemeinschaftlich regierenden Grafen bei der Ingangsetzung und Durchführung der Hexenprozesse gespielt haben.

Geführt wurden die Wertheimer Prozesse von dem höchsten Verwaltungs- und Justizgremium, der gemeinschaftlichen Kanzlei in Wertheim. Diese Kanzlei bestand aus vier Räten, bei denen es sich 1629 ausschließlich um promovierte Juristen handelte. Jeder dieser Juristen wurde von einem der vier regierenden Grafen bestellt und war diesem verantwortlich. An den Protokollen der Kanzlei kann man nachvollziehen, wie hier der Ausgleich gesucht werden musste zwischen den Interessen der vier Grafen, den Wünschen der Bevölkerung und den Ansichten der Juristen. Am Ablauf der Hexenprozesse lässt sich die Stellung der Verwaltung im Verhältnis zum persönlichen Regiment der konkurrierenden Grafen und der auf weitere Verfolgungen drängenden Bevölkerung ablesen.

Rolle der älteren lokalen Gerichte

In den Blick zu nehmen wäre zudem das Verhältnis zu älteren lokalen Gerichten. Möglicherweise befand sich die Wertheimer Kanzlei bei der Abwicklung der Hexenprozesse nämlich auch in Konkurrenz zu den traditionellen fränkischen Zentgerichten. Die Gerichtsverfassung innerhalb der Grafschaft um 1600 ist bislang noch kaum erforscht, so dass sich über Kompetenzen und Instanzenzug bislang nur vage Aussagen machen lassen. Es bleibt zu fragen, ob die Hexenprozesse in der Grafschaft Wertheim unter Umständen zu einer stärkeren herrschaftlichen Durchdringung des Territoriums, also zur Festigung der Zentralverwaltung, genutzt wurden.

Rolle der Konfessionen

Das seit 1611 bestehende Kondominat in der Grafschaft Wertheim erhielt zusätzliche Brisanz durch die Konversion des Grafen Johann Dietrich während des Dreißigjährigen Krieges. Es war jetzt auch ein katholischer Graf an der Regierung der protestantischen Grafschaft beteiligt. Damit dürften die Wertheimer Quellen auch interessantes Material zur Frage bieten, welche Rolle die Konfessionen bei der Hexenverfolgung spielten.

Zu den neu entdeckten Quellen

Bei der Mehrzahl der neu entdeckten Schriftstücke handelt es sich um Verhörprotokolle und Urgichten (Geständnisse) zu bereits bekannten Prozessen der Jahre 1629–1633. Darunter findet sich auch neues Material zum Prozess gegen die Zauberkinder aus Bettingen, mit dem die Verfolgungswelle von 1629 ihren Anfang nahm.

Eine umfangreiche Akte betrifft die 1629 verbrannte Witwe eines vermögenden Wertheimer Ratsherrn, Margaretha Semmler (StAWt G-Rep. 102 Nr. 744). Es gab Verfahren wegen Verbreitung von Hexenzetteln (StAWt G-Rep. 102 Nr. 409, 718 und 719) und gegen zaubernde Kinder (StAWt G-Rep. 102 Nr. 751 und StAWt R-Rep. 16i Nr. 2). Unter den Funden sind auch detaillierte Abrechnungen zu würzburgischen Hexenprozessen der Jahre 1626 bis 1631 in Freudenberg. Besonders interessante Einzelstücke sind ein im Gefängnis hinterlassener Brief des Jeremias Ötzel, dem 1629 die Flucht gelang (siehe unter "Berichtsserien", (StAWt G-Rep. 102 Nr. 734), und das Notizbüchlein eines an der Hexenverfolgung Beteiligten, der hier penibel die Hinrichtungsdaten eintrug (StAWt G-Rep. 102 Nr. 750).

Alle diese Unterlagen wurden im Rahmen eines 2012 abgeschlossenen Projektes detailliert neu verzeichnet. Zumindest ein Teil der aufgefundenen Quellen wurde von dem Frankfurter Jesuiten Diefenbach im 19. Jahrhundert für sein Buch über Hexenwahn in Deutschland benutzt und war seitdem verschollen (siehe unter Literaturhinweise). Diefenbachs Erkenntnisse können damit an seinen Quellen nachvollzogen werden, wobei sich ergibt, dass er gelegentlich recht freizügig mit diesen umging und bei Zitaten auch Korrekturen vornahm.

Übersicht der im Staatsarchiv Wertheim vorhandenen Quellen zur Hexenproblematik

Die Entdeckung der Hexenquellen wird hier zum Anlass genommen, eine Übersicht über die im Staatsarchiv insgesamt vorhandenen Quellen zur Hexenproblematik zu versuchen. Bedingt durch die Überlieferungssituation ist ein solcher nur schwer zu gewinnen. Die Präsentation des Materials orientiert sich daher an denjenigen Quellentypen, die Hexenbelange enthalten können, und listet dann die in Wertheim vorhandenen Akten auf. Vollständigkeit wird nicht angestrebt. Der Zeitraum ist auf die Hochzeit der fränkischen Hexenverfolgung (etwa 1590-1633) beschränkt.