Migration nach dem Zweiten Weltkrieg
Dieser Rechercheführer möchte Ihnen dabei helfen, Unterlagen zur Migration nach dem Zweiten Weltkrieg in den Beständen des Landesarchivs Baden-Württemberg zu finden.
Die Flucht vor Krieg und Verfolgung oder einfach nur die Aussicht auf bessere Arbeits- und Lebensbedingungen bringen viele Menschen dazu, in ein anderes Land einzuwandern. Diese Bewegungen hängen häufig mit dem Geschehen in den Herkunftsländern zusammen. Migration gibt es schon immer – im Verlauf von Kriegen oder Wirtschaftskrisen tritt sie jedoch besonders häufig auf.
Viele Vertriebene, „Gastarbeiter“, Spätaussiedler und Flüchtlinge haben nach dem Zweiten Weltkrieg in den historischen Vorgängerstaaten des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg eine neue Heimat gefunden. Heute leben in Baden-Württemberg über 3 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund.
Welche Unterlagen können Sie im Landesarchiv Baden-Württemberg finden?
Zahlreiche Unterlagen im Landesarchiv Baden-Württemberg dokumentieren die Migrationsgeschichte. Zum Beispiel finden Sie im Landesarchiv:
- Namenslisten und Karteien, etwa von Flüchtlingslagern,
- Akten zu Unterkünften,
- Akten zum Arbeitsalltag, z. B. bei den sog. „Gastarbeitern“,
- Personalakten von Einwanderern,
- Unterlagen zur Gesundheit (ärztliche Untersuchungen, Impfungen, Patientenakten),
- Einträge von Migranten-Vereinen in Vereinsregistern,
- Akten der Schulverwaltung über Migrantenkinder,
- Unterlagen der Polizeibehörden
und vieles mehr.
Welche Informationen benötigen Sie, um mit der Suche beginnen zu können?
Wenn Sie nach Unterlagen zur Migration nach dem Zweiten Weltkrieg suchen möchten, überlegen Sie, für welche Region und welchen Zeitabschnitt Sie recherchieren möchten. Sie können als ersten Schritt in unserem Online-Katalog Suchbegriffe eingeben, z.B.:
- Heimatvertriebene
- Vertriebene
- Flüchtlinge
- Flucht
- Migration
- Migranten
- Gastarbeiter
- Umsiedlung
- Umsiedler
- Aussiedler
- Einwanderer
- Einwanderung
- Einbürgerung
- Aufnahme in den Staatsverband
- Asyl
Wenn Sie nach einer bestimmten Person suchen, können Sie direkt mit dem Namen in unserem Online-Katalog recherchieren. Da bei Massenakten oft mehrere Einzelfälle in eine Akte zusammengefasst werden und einige der Unterlagen zudem noch Schutzfristen unterliegen können, empfehlen wir neben der Katalog-Suche auch eine Anfrage an die Archivstandorte zu stellen. Hier finden Sie die regionalen Zuständigkeiten: An welche Archivabteilung können Sie sich wenden?
In welchen Beständen können Sie diese Unterlagen finden?
Unterlagen über Rechtsgrundlagen und andere Grundsatzfragen, aber auch aggregierte Berichte und Informationen zu politischen Debatten des Einwanderungsprozesses finden Sie vor allem in den Überlieferungen der Landtage, Ministerien und Oberbehörden des Landes Baden-Württemberg und der Vorgängerländer.
Hinweis: Ministerialunterlagen können Sie im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Land Württemberg-Baden und Land Baden-Württemberg ab 1952), im Generallandesarchiv Karlsruhe (Nebenstelle der Ministerien des Landes Württemberg-Baden bis 1952 sowie Präsident des Landesbezirks Baden), im Staatsarchiv Freiburg (Land [Süd-]Baden 1945 bis 1952) und im Staatsarchiv Sigmaringen (Land Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952) finden. Außerdem gibt es fortgeführte Ministerialakten der Vorgängerländer des heutigen Baden-Württemberg auch in der Überlieferung der Regierungspräsidien und anderer Mittelbehörden.
In der Zeit nach 1945 gab es Ministerien und Zentralbehörden, die sich ausschließlich mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen befasst haben:
- Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, direkt zum Onlinefindmittel: Beständegruppe LABW, HStAS EA 12
- Staatskommissar für die Umsiedlung in Württemberg-Hohenzollern, direkt zum Onlinefindmittel: Bestand LABW, StAS Wü 51
- Landesämter für Soforthilfe, Umsiedlung und das Landeswohlfahrts- und Jugendamt, direkt zum Onlinefindmittel: Bestände LABW, StAF D 33/1, D 36/3 und D 30/1
Im für die Region zuständigen Archiv finden Sie Unterlagen über die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben sowie Nachweise von Einzelpersonen in Beständen der staatlichen Verwaltung, vor allem im Bereich der inneren Verwaltung, Arbeit, Justiz, Kultus, Soziales und Wirtschaft. Eine Übersicht über die Zuständigkeiten der Archive finden Sie hier: An welche Archivabteilung können Sie sich wenden?
Recherchieren Sie vor allem in den Überlieferungen folgender Bestände:
Mittelbehörden, z. B.
- Landeswohlfahrtsämter, Landesämter für Umsiedlung (nach 1945)
- Regierungspräsidien (nach 1945)
- Oberschulämter
Untere Behörden, z. B.
- Bezirks- und Oberämter, Landratsämter
- Versorgungsämter
- Gesundheitsämter
- Gewerbeaufsichtsämter
- Arbeitsämter
- Schulämter
Gerichte (Asylverfahren)
- Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim
- Verwaltungsgerichte
Körperschaften, z. B.
- Landeswohlfahrtsverband Baden und Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern
Weil Einwanderung schon immer für soziale Spannungen gesorgt hat und Migranten und Flüchtlinge oft mit Argwohn beobachtet wurden, gibt es auch in der Überlieferung von Justiz- und Polizeibehörden sowie in Gefängnissen einschlägige Akten.
Gut für einen Perspektivwechsel…
…sind nichtstaatliche Quellen aus Nachlässen oder Deposita. Sie befassen sich weniger mit dem bürokratischen Akt, sondern ermöglichen einen Blick aus der Perspektive des Bürgers oder der Migranten selbst auf den Einwanderungs- und vor allem Integrationsprozess. Unterlagen von Sportverbänden bieten z. B. eine ganz andere – sportliche – Sicht auf die Integration der Einwanderer an ihrem Wohnort. Im audiovisuellen Archiv des Hauptstaatsarchivs Stuttgart gibt es zahlreiche Mitschnitte von Radiosendungen oder Fernsehreportagen, vor allem aus der Zeit der Arbeitsmigration.
Welche anderen Informationsquellen gibt es?
Am Einwanderungsprozess sind sowohl staatliche als auch kommunale Behörden beteiligt. Sie können also ebenso in den Stadt- und Kreisarchiven viele Unterlagen finden. Darüber hinaus gibt es von Kirchen Angebote für Migranten und Flüchtlinge. Auch hier lohnt sich eventuell eine Anfrage. Archive und deren Kontaktadressen finden Sie im Archivportal-D.
Einzelnachweise zu Aufnahmen von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen nach 1945 gibt es zudem in der Außenstelle Bayreuth des Bundesarchivs (Lastenausgleicharchiv).
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Wussten Sie schon?
Die Staatsarchive in Freiburg und Sigmaringen haben eine Quellensammlung zur französischen Besatzungszeit nach 1945 erstellt: Quellensammlung zur französischen Besatzungszeit nach 1945
Hier können Sie auch Hinweise auf Quellen zu Umsiedlern und Flüchtlingen aus den östlichen Gebieten des ehemaligen Deutschen Reiches in Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern finden.
Literaturhinweise:
- Karl-Heinz Meier-Braun / Reinhold Weber: Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Karlsruhe 2016.
- Karl-Heinz Meier-Braun /Reinhold Weber (Hg.): Ein Koffer voll Hoffnung. Das Einwanderungsland Baden-Württemberg. Ein Überblick über die Migrationsgeschichte in Baden-Württemberg vom 19. Jahrhundert bis heute. Tübingen 2019.