Ungesühnte Deportationen der Juden: Der Hechinger Deportationsprozess

Termin

23.09.2019 20:00 Uhr

Vortrag von Rechtsanwalt Uwe Rühling, Stuttgart

Urteil des Landgerichts Tübingen gegen den ehemaligen Hechinger Landrat  Paul Schraermeyer von 1948. Vorlage: Staatsarchiv Sigmaringen Ho 400 T 2 Nr. 576
Urteil des Landgerichts Tübingen gegen den früheren Hechinger Landrat Paul Schraermeyer von 1948 Vorlage: Staatsarchiv Sigmaringen Ho 400 T 2 Nr. 576.

Der "Hechinger Deportationsprozess" ist in der Rechtsprechung historisch von großer Bedeutung, weil er 1947/48 das erste westdeutsche Gerichtsverfahren war, das sich der Verschleppung von Juden aus dem Deutschen Reich widmete. Er war zugleich auch das einzige Verfahren, in dem Angehörige der Zivilverwaltung – vorneweg der ehemalige Landrat – angeklagt waren.

In der Zeit vom November 1941 bis August 1942 wurden aus Haigerloch und Hechingen in vier Deportationen 291 Juden verschleppt, 8 von ihnen haben überlebt. Mit der Durchführung vor Ort hatte die Gestapo die Landräte beauftragt.

Im Vortrag wird eine Einordnung des Prozesses in die Zeit der Französischen Besatzungszone und die weitere Entwicklung der Bundesrepublik versucht. Die Verurteilung des Landrates zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis durch das Landgericht Hechingen, die Aufhebung der Verurteilung durch das Oberlandesgericht und der anschließende Freispruch vor dem Landgericht Tübingen spannt fast schon den ganzen Bogen an widerstreitenden Argumenten auf, die im Streit um persönliche Verantwortung bei NS–Verbrechen in der kurz darauf gegründeten Bundesrepublik eine Rolle spielen.

Der Referent Uwe Rühling ist seit 25 Jahren Mitglied der Deutsch–Israelischen Juristenvereinigung (DIJV) und beschäftigt sich in der Regionalgruppe Südwest vorwiegend mit historischen Themen. Sein Vortrag wertet neben Literatur und Rechtsprechung in erheblichem Umfang Archivmaterial des Staatsarchivs in Sigmaringen aus.

Der Vortragsabend ist eine Gemeinschaftsveranstaltung des Hohenzollerischen Geschichtsvereins und des Staatsarchivs Sigmaringen.