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01.07.2019

Archivale des Monats Juli 2019

Dep. 30/14 T 1 Nr. 1
Abschrift einer gefälschten Urkunde Ludwigs des Frommen für das Kloster Buchau (Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 30/14 T 1 Nr. 1)

Im Jahr 2019 feiern die Städte Mengen und Bad Saulgau das 1200-jährige Jubiläum ihrer Ersterwähnung. Die Städte berufen sich dabei auf eine Urkunde Kaiser Ludwigs des Frommen vom 22. Juli 819 für das Kloster ("monasterium") Buchau, dem der Kaiser im ersten Teil der Urkunde das Dorf ("villa") Mengen (heute Ennetach) und die Kirche in Saulgau mit allen dazugehörigen Gütern und Leuten schenkt.

Das Archivale des Monats ist eine Abschrift dieser Urkunde auf Papier, die sich anhand des Wasserzeichens auf die Zeit zwischen 1478 und 1480 datieren lässt. Der Schreiber im Stift Buchau bemühte sich sogar, das formale Erscheinungsbild der Urkunde wiederzugeben.

Eine echte Urkunde Kaiser Ludwigs des Frommen als Grundlage der Abschrift hat es allerdings nie gegeben.

Die Urkunde reiht sich vielmehr in eine Serie von Urkundenfälschungen ein, die im 12. Jahrhundert im Kloster Reichenau gefertigt wurde und unter anderem auch in den Stiften Kempten und Lindau, im Domkapitel Straßburg und dem Kloster Rheinau nachzuweisen ist. Sie hatte das Ziel den alten Klöstern Privilegien zu verschaffen, im Fall Buchaus die Fixierung der Rechte und Bezüge des Klostervogts, die freie Wahl der Äbtissin und ein Verbot der Entfremdung von Klostergut sowie die Immunität des Klosters, also die Loslösung aus dem Gebiet des zuständigen Grafen und die Befreiung von Abgaben an diesen. Diese Rechte werden im zweiten Teil der Urkunde beschrieben.

Anhand von Merkmalen wie Schrift, verwendetem Material oder Formulierungen wurde belegt, dass die gefälschten Urkunden von der Hand ein und desselben Reichenauer Fälschers stammen. Er wendete dabei in der Regel eine Art Mosaiktechnik an, die daraus bestand, eine echte Urkunde zu radieren, also den Inhalt abzuschaben, um dann auf dem alten Pergament aus den Texten echter oder für echt gehaltener Urkunden in den Beständen Reichenaus und der anderen Klöster, seinen früheren Fälschungen sowie freien Formulierungen den neuen Text zusammenzusetzen. Diese Technik erlaubte es dem namenlosen Fälscher also, Urkunden mit echten Siegeln aber gefälschtem Text herzustellen.

Im Fall Buchaus verwendete der Fälscher wahrscheinlich echte Urkunden Ludwigs des Frommen, eine aus dem Jahr 839 für Reichenau und möglicherweise eine für Buchau, dazu seine eigenen Fälschungen für Kempten und das eigene Kloster.

Da die Buchauer Urkunde im Gegensatz zu den meisten anderen Fälschungen nur in Abschriften überliefert ist, wird sich die Frage nach der inhaltlichen und zeitlichen Echtheit des Schenkungsteils und damit der Legitimität der Urkunde als Ersterwähnung für Mengen und Bad Saulgau nicht mehr abschließend klären lassen, auch wenn die Fälschungsabsicht nur in den Privilegien bestand.

Ein Archivale aus dem Landesarchiv Baden–Württemberg, Staatsarchiv Sigmaringen, StAS Dep. 30/14 T 1 Nr. 1.