Vor allem aus Barbaras etwa 70 Briefen, die sie meist von Württemberg aus an ihre Familie nach Mantua schrieb, spricht die enge Bindung, die sie – trotz der räumlichen Entfernung – mit ihren Eltern und Geschwistern pflegte. Darunter sind Briefe aus allen verschiedenen Lebensstationen erhalten: Sie schreibt bereits als kleines Mädchen am elterlichen Hof, ebenso von ihrer Hochzeitsreise als 18jährige auf dem Weg ins ferne Württemberg, als junge Gräfin und ältere Herzogin von Württemberg aus ihren Residenzen in Urach und Stuttgart und schließlich als Witwe von ihrem Witwensitz Böblingen. Sie schreibt an ihre Familie ganz überwiegend auf italienisch, seltener – und dann offizieller – auf lateinisch und nur ausnahmsweise auf deutsch. Zunehmend stärker sind diese Briefe Barbaras geprägt von ihrer Sehnsucht nach ihrer alten Heimat und dem Wunsch nach einem Wiedersehen. Noch ihre letzten Versuche, als Witwe nach Mantua zurückzukehren, scheitern kurz vor ihrem Tod. Dass diese Briefe der Barbara Gonzaga in solch beeindruckender Fülle auf uns gekommen sind, ist dem wohlgehüteten Schatz des Familienarchivs der Gonzaga zu verdanken, das heute im Archivio di Stato in Mantua gepflegt wird. Die hier vorgestellte Auswahl will Barbara Gonzaga selbst an ihren unterschiedlichen Lebensstationen zu Wort kommen lassen. Die gesprochenen Texte sollen im italienischen Originalwortlaut und behutsamer deutscher Übertragung die Annäherung an eine beeindruckende Persönlichkeit und ihren Lebensweg ermöglichen, die sowohl ihr individuelles Schicksal, wie ihr prägendes höfisches Umfeld erkennen lässt. Die Briefe Barbaras bieten einen sprachlichen wie inhaltlichen Reichtum, der nicht zuletzt auch ein neues, beispielhaftes Bild von Kommunikation und Kulturtransfer zwischen Oberitalien und Süddeutschland im Zeitalter der Renaissance zeichnet.
Die Sprecherinnen der Briefe:
Regina Spindler, Isabelle Boslé, Mirjam Dienst, Irene Fechau, Muriel Hahn
Moderation: Jan Carlos Wittmer
Textbearbeitung, Transkription und Übersetzung:
Christina Antenhofer, Axel Behne, Daniela Ferrari, Cesare Ghilardelli, Jürgen Herold, Annekathrin Miegel, Martin Miller, Peter Rückert
Aus der CD "Barbara Gonzaga und ihr Hof – Briefe und Musik"
© Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und Landesarchiv Baden-Württemberg 2011
Barbara Gonzaga schreibt an ihre Mutter Barbara von ihrer Brautreise
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1474 Juni 15, Trient Ausfertigung, 1 Bogen Papier, 15,0 x 21,0 cm, aufgedrücktes Siegel unter Papier ASMn AG, b. 2102, cc. 86-87
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Nach einigen Tagen der Reise hatte Barbaras Brautzug Trient erreicht. Fast täglich schreibt sie ihren Eltern, vor allem der Mutter, von der Reise und ihrem eigenen Befinden. Jetzt bekümmert sie bereits die Sehnsucht nach ihr und die Trauer um den Abschied von der Familie, wenn ihre Begleiterinnen auch ständig versuchen, sie bei Laune zuhalten. Im Nachtrag dankt sie noch für die Geschenke, die sie unterwegs bekommen hatte, um ihr den weiteren Weg zu erleichtern.
Barbara gratuliert Gräfin Margarethe von Württemberg zur Geburt eines Enkels
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1478 September 28, Urach Ausfertigung, Papier, 17,0-17,5 x 26,0-26,5 cm, unterer Teil abgeschnitten HStA Stuttgart A 602 Nr. 260
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Die Tochter Barbaras und Eberhards, die kleine "Barbarina", starb bereits ein halbes Jahr nach ihrer Geburt. Weitere Kinder sollten Barbara nicht mehr beschieden sein, worunter sie und auch ihre Beziehung zu Eberhard zunehmend stärker zu leiden hatte. Die Nachkommen im Hause Württemberg-Urach blieben aus, und später mussten entsprechende Erbregelungen getroffen werden. In der anderen Linie Württemberg-Stuttgart, wo noch Graf Ulrich V., der Onkel Eberhards, herrschte, freut man sich im September des Jahres 1478 gerade über die Geburt eines Enkels. Barbara übermittelt ihre Glückwünsche dazu an die Gemahlin Graf Ulrichs, Margarethe von Savoyen, und freut sich mit ihr herzlich über die Geburt des Sohnes von Margarethes Tochter Helene.
Barbara lädt ihren Bruder Federico nach Stuttgart ein
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1483 August 27, Stuttgart Ausfertigung, Papier, 15,5 x 22,0 cm ASMn AG, b. 514, c. 112
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Nachdem ihre Eltern bald hintereinander (1478 bzw. 1481) in Mantua verstorben waren, hält Barbara vor allem Briefkontakt mit ihrem älteren Bruder Federico, dem nun regierenden Markgrafen. Sie stehen in regem Austausch miteinander, Aufmerksamkeiten und Geschenke wandern zwischen den Höfen hin und her. Federico wünscht nun ein Buch mit der Legende des hl. Friedrich, seines Namenspatrons, um das sich Barbara aber vergeblich bemüht – in Augsburg und Nürnberg als den beiden großen benachbarten Städten und einschlägigen Buchmärkten Süddeutschlands. Dafür lädt sie ihn zu einem großen Turnier nach Stuttgart ein, wo sie ihn endlich einmal wieder zu sehen hofft.
Barbara wünscht sich neue Kleider aus Mantua
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1483 November 5, Stuttgart Ausfertigung, Papier, 29,6 x 23,0 cm ASMn AG, b. 514, c. 114
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Trotz intensiver Nachforschungen konnte Barbara die Legende des hl. Friedrich für ihren Bruder Federico nicht in Deutschland auftreiben. Obwohl sie auch nach Köln, Augsburg, Ulm und Heidelberg deswegen geschickt hatte und beim verwandten Markgrafen von Brandenburg danach fragen lässt, hat sie wenig Hoffnung auf Erfolg. Gleichzeitig bittet sie Federico, ihr für das angekündigte Turnier einen besonders kostbaren Stoff für ein Kleid schicken. Die prächtigen italienisch Stoffe und Kleidungsstücke aus Mantua sind ihr sehr wichtig, mehr noch aber die enge Beziehung zu ihrer Familie, die ihr auch diese Wünsche erfüllen kann.
Barbara bedauert ihre Schwester Paola
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1487 Mai 1, Stuttgart Ausfertigung, Papier, Quartformat, rückwärts aufgedrücktes Siegel Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Sigmundiana 4a.029.022
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Barbaras jüngere Schwester Paola war einige Jahre nach ihrer eigenen Heirat mit dem Tiroler Grafen Leonhard von Görz vermählt worden. Sie führt eine unglückliche Ehe und wendet sich deswegen oft hilfesuchend an ihre Familie in Mantua. Auch Barbara weiß von dem erniedrigenden Schicksal ihrer Schwester und versucht sie zu trösten. Die Behandlung, die man Paola angedeihen lasse, erfülle sie mit Kummer, schreibt Barbara, und erwecke in ihr den Wunsch, Partei für Paola zu ergreifen. Sie sei zwar eine Frau, der es nicht anders ergehe; auch wenn sie sich selbst nicht helfen könne, wünsche sie dennoch, Paola zu unterstützen. Deshalb habe sie an ihre Brüder geschrieben und diese an die Schande erinnert, die aus der Erduldung einer so schlechten Behandlung der Schwester erwachse. Sie sei nun guter Hoffnung, dass die Brüder Paola helfen werden. Auch habe sie ihren Gatten gebeten, er möge ihr erlauben, Paola zu besuchen. Dieser habe ihr jedoch auf eine Art und Weise geantwortet, wie sie es gar nicht wage, ihr zu schreiben. Wenn sie nach ihrem eigenen Willen entscheiden könnte, so würde sie keinen größeren Trost finden, als zu ihr zu kommen, um ihre Pflicht Paola gegenüber zu erfüllen. So empfehle sie sich nun der Schwester, sie solle guten Mutes sein und ihre Hoffnung auf den barmherzigen Gott setzen. Er sei derjenige, der ihr helfen könne, wenn sie ihn aus gutem Herzen anrufe.
Barbara sehnt sich nach der Heimat zurück
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1496 Oktober 23, Böblingen Ausfertigung, Papier, 31,0 x 21,8 cm ASMn AG, b. 514, c. 203
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Als Witwe versucht Barbara, die Bindungen zur Herkunftsfamilie zu stärken. Sie hat an ihren Neffen, den Markgrafen Francesco Gonzaga geschrieben und sich besonders über einen Anteil nehmenden Brief der Markgräfin Isabella d'Este gefreut, der ihr viel Trost spendete. Nun schreibt sie von neuem, um ihre Absicht zu bekunden, nach Mantua zu kommen. Der Ton des Briefes verrät eine tiefe Sehnsucht und unterstreicht den Wunsch, in "ihre Heimat und ihr Nest" zurückzukehren. Vor allem bittet Barbara den Markgrafen von Mantua, auch beim Kaiser dafür einzutreten, dass der neue Herzog von Württemberg, Eberhard II., ihre territorialen Rechte respektiert.
Barbara dankt Isabella d'Este
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Ohne Datum [1497] Ausfertigung, Papier, 21,7 x 22 cm, aufgedrücktes Siegel ASMn AG, b. 514, c. 208
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Isabella d'Este, die Frau von Barbaras Neffen Francesco und Markgräfin von Mantua, hatte den liebevollen Wunsch übermittelt, Barbara wieder nach Mantua, in den Kreis der Familie, zurückzuholen. Doch Barbara lehnt jetzt ab – für den Moment wenigstens, da ihr gute Freunde geraten hatten, noch in Württemberg zu verbleiben. Jedenfalls werden gerade neue politische Entwicklungen greifbar, die Barbaras Situation erträglicher gestalten, darunter besonders der schwindende Druck des neuen Herzogs Eberhard II., der gerade politisch kaltgestellt und bald darauf abgesetzt werden sollte.
Der Brief ist verschlossen mit ihrem neuen Siegel, das sie sich als Herzogin von Württemberg hatte anfertigen lassen und auch als Witwe weiter benutzen sollte. Seine Umschrift lautet: barbara ducissa wirte(m)b(er)g(ensis) et teck marchionissa mantue.