2. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik

Ein Blick auf die Originale fördert Engagement von Schülern: "Schulgeschichte" - ein ideales Feld der Archivpädagogik. Der Lernort "Archiv" wird im Geschichts- und Heimatkundeunterricht noch immer viel zu wenig genutzt. Auf der 2. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik des Generallandesarchivs Karlsruhe am 11. Mai 2001 diskutierten Lehrer und Archivare die Chancen, durch den Einsatz von historischen Originaldokumenten das Interesse der Schüler zu wecken. Die über 80 Teilnehmer waren sich einig, daß der Intensivierung der Überlieferungssicherung von Unterlagen zur Schulgeschichte, der Vernetzung der vorhandenen Archivprojekte der Schulen und dem Einsatz von "Archivpädagogen" als Scharnier zwischen Schulen und Archiven, wie sie in anderen Bundesländern schon eingerichtet sind, in den nächsten Jahren Vorrang zukommen muß.

Gerade die Schulgeschichte eignet sich besonders für die Neugier der Schüler, weil mit den historischen Unterlagen auf die unmittelbare Erfahrungswelt der Schüler eingegangen werden kann. In Stadt-, Staats- und kirchlichen Archiven liegen umfangreiche Unterlagen, aus denen der Alltag der Schüler und Lehrer abgelesen werden kann. Beispiele aus dem Quellenspektrum fächerte Dr. Clemens Rehm von Generallandesarchiv auf: Von Bauplänen für Schulgebäude aus dem 19. Jahrhundert über Stundenpläne und Notenlisten vergangener Tage bis zu vom Bürgermeister verhängten Strafen für das Schwänzen des Unterrichts. Auch die politischen Umbrüche finden ihren Niederschlag in den Akten, wenn z.B. ein Lehrer denunziert wird, weil er 1934 die Nazis als "Maulhelden" bezeichnet hat. Es ist notwendig, die zum Teil noch bei den Schulen liegenden Unterlagen in den Archiven fachgerecht für die kommenden Generationen zu sichern und in Projekten aufzuarbeiten. Mit dem Vorurteil, daß Schüler nicht in der Lage seien, historische Dokumente zu lesen, räumte Dr. Roland Vetter vom Gymnasium Eberbach auf. Selbstverständlich sei die Lektüre von langen handschriftlichen Quellen für Schüler schwierig, aber durch die vorrangige Verwendung von Serienakten, z.B. Listen, könnten Schüler schnell erfolgreich mit Quellen umgehen. Sein Beispiel einer 7. Klasse, die Quellen aus der Zeit um 1500 (!) zur Waldweide statistisch ausgewertet hatte, belegte den Erfolg dieser Methode eindrucksvoll. Zur Orientierung über die vielen Projekte, die aus der Zusammenarbeit von Archiv und Schule schon entstanden sind, stellte Werner Schweizer von der Landesbildstelle Karlsruhe, deren Räume für die Tagung zur Verfügung standen, das Portal "Archivpädagogik" im Internet auf der Homepage der Landesbildstelle Karlsruhe vor (lbb.bw.schule.de). Hier können aktuelle Informationen, eine umfangreiche Literaturliste und im Internet eingestellte Projekte direkt abgerufen werden. Eine Weiterentwicklung zur systematischen Abfrage von Unterrichtsmodellen ist derzeit in Arbeit.

Wesentliche Aspekte boten die Vorstellung und Diskussion von realisierten Projekten zur Baugeschichte von Schulen (Gymnasiums Mengen, Dr. Christof Rieber und Realschule Gammertingen, Franz Xaver Pfaff) und die eindrucksvolle Präsentation zur Personengeschichte von Dr. Peter Güß (Markgrafengymnasium Durlach), der im Unterricht und in Arbeitsgemeinschaften anhand von Schüler- und Notenlisten von den Nazis vertriebene Schüler wieder ausfindig machte und mit ihnen in Kontakt treten konnte. Gerade die im Rahmen einer kleinen Ausstellung vorgestellten Projekte zeigten, daß Schulgeschichte viele Facetten aufweisen kann: Aus dem Biologieunterricht stammte das Beispiel der Schulgärten in Karlsruhe (Dr. Karl-Heinz Köhler, PH Karlsruhe), für den Gemeinschaftskundeunterricht eignet sich die Beschäftigung mit dem im Schulhaus Neckarelz untergebrachten Konzentrationslager (Dorothee Roos), die Geschichte eines Karlsruher Gymnasiums (Rainer Gutjahr) in der NS-Zeit oder auch die Ausstellung von Zeugnissen Prominenter (Ingo Springmann). Als Einstieg für alle Interessierten ist die vom Prof. Maria Würfel vorgestellte neue archivpädagogische Handreichung "Erlebniswelt Archiv" empfehlenswert, die präzise Hinweise für die Archivarbeit mit Schülern bietet.

Dr. Clemens Rehm, Generallandesarchiv Karlsruhe