4. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik

Mit interessanten Präsentationen und einem intensivem Austauschangebot bot die Karlsruher Tagung für Archivpädagogik am 14. März 2003 im Landesmedienzentrum Karlsruhe wieder die bewährte Mischung aus Grundsätzlichem und Praxisorientiertem. Etwa 100 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland zeigten, dass sich diese in ihrer Art einzigartige Tagung als Forum zur historischen Bildungsarbeit in Archiven bewährt hat.

Viele Projekte und das Thema des Geschichtswettbewerbs 2002/2003 "ankommen - weggehen" hatten das Rahmenhema "Das Eigene und das Fremde" für die Tagung 2003 nahegelegt. Vor allem die Methoden der Zeitzeugenbefragung und die zunehmend wichtiger werdenden Facharbeiten (im Lehrplan: "besondere Lernleistung") wurden von Fachleuten auf der Basis ihrer jahrelangen Erfahrung vorgestellt.

Prof. Michael Kißener (Universität Mainz), durch Projekte zum Widerstand in der Zeit des Nationalsozialismus mit Zeitzeugenbefragungen ausgewiesen, analysierte den "Zeitzeugen als Geschichtsquelle", strukturierte seine Erfahrungen in der "Praxis des Zeitzeugengesprächs" und verwies auf den "Zeitzeugen im schulischen Unterricht". Gerade die letzten beiden Aspekte führten - angereichert durch die teils geglückten, teils leidvollen Erfahrungen von Schülern, Lehrern und Projektleitern - zu intensiven Diskussionen. Nicht jeder bedenkt, dass ein authentisch berichtender Zeitzeuge Einstellungen und Haltungen von Schülern nachhaltiger zu verändern vermag als einige didaktisch gut aufbereitete Stunden. Nicht jeder ist in der Lage, die ungeheuere Menge der Information, die er im Zeitzeugengespräch erhält, angemessen auszuwerten und mit anderen zeitgenössischen Quellen zu vergleichen.

Dieter Klose, Archivpädagoge im Staatsarchiv Detmold stellte die im Oberstufenlehrplan Nordrhein-Westfalens vorgesehenen Facharbeiten vor, die Schüler im Fach Geschichte anfertigen können. Die unerwartet große Zahl der durch das Archiv zu betreuenden Arbeiten, hätte zu Kapazitätsproblemen geführt, weil viele Schüler völlig unvorbereitet in das Archiv gekommen wären und auch Geschichtslehrer oft überhaupt keine Vorstellungen von der Arbeit im Archiv gehabt hätten. Ein intensiverer Austausch über die gegenseitigen Erwartungen und Möglichkeiten zwischen Archiv und Schule, z.B. durch Informationen in den Lehrerausbildungsstätten oder auf Fortbildungen seien die Voraussetzung für eine erfolgreiche Schülerarbeit im Archiv.

Auf etwa 300 qm präsentierten sich am Nachmittag die 9 ausgewählten Projekte von unterschiedlichsten Schularten und Schulstufen (7. bis 13. Klasse; Kaufmännische Schule, Gymnasium) sowie 3 außerschulische Projekte. Erstmals wurde dabei ein bürgerschaftliches Projekt vorgestellt ("Traum von der Freiheit - Offenburger Auswanderer" / Historischer Verein Offenburg). Es war deutlich, dass dort methodisch sehr ähnlich gearbeitet wurde wie von den Schülergruppen.

Die Tagungsteilnehmer konnten sich in Gesprächen über Projekte mit geringem Aufwand ("ausgewerteter Archivbesuch"), in Schulen durchgeführten Aktionen ("Projekttag") bis zu aufwändigen inner- und außerschulischen Großprojekten mit vielfältigen Archivrecherchen und Zeitzeugenbefragungen ("Beiträge zum Geschichtswettbewerb", "Mahnmalinitiativen") informieren. Auf Wunsch der Teilnehmer aus dem Vorjahr konnten auch nicht abgeschlossene Projekte vorgestellt werden, denen die Diskussion auf dem Forum besonders zugute kam.

Zum Rahmenthema Das Eigene und das Fremde wurden der Bogen von der studentischen Migration im 16. Jahrhundert, den Auswanderungen des 19. Jahrhunderts, über die Vertreibung jüdischer Schüler und Ostarbeiterlager bis zur Remigration Banater Schwaben und der ersten italienischen Eisdiele in Karlsruhe-Knielingen gespannt.

Es fiel auf, dass die Präsentationen in diesem Jahr technisch deutlich aufwändiger waren als noch vor Jahren. Reichten vor zwei Jahren noch ein Diaprojektor, ein Videogerät und ein Beamer für die Darstellung wurde nun insbesondere für die Wettbewerbsbeiträge häufig auf elektronische Medien zurückgegriffen; bei einem Projekt konnte eine Videokonferenz vorgestellt werden. Selbstverständlich wurden herkömmliche Präsentationsformen wie Collagen, Bücher oder Ausstellungswände nicht völlig verdrängt.

Die Zusammenführung der unterschiedlichsten Projektarten und Gestaltungsformen bot den Teilnehmern Material eine interessante Vergleiche und genügend Anregungen für die eigene archivpädagogische Arbeit. Für die Diskussionen erwies es sich als glücklich, dass diesmal in größerer Zahl als bisher die an den Projekten beteiligten Schüler teilnehmen und ihre Erfahrungen einbringen konnten.

Ein Fortsetzung der Arbeit wurde von den Teilnehmern eingefordert und von den Organisatoren zugesagt. Die 5. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik wird am 12. März 2004 wieder im Landesmedienzentrum Karlsruhe unter dem Oberthema "Biographie" stattfinden. Vorgesehen sind Beiträge zu biographierelevanten Quellen, zu Persönlichkeitsrecht und Datenschutz sowie die Präsentation von Projekten der schulischen und historischen Bildungsarbeit zu Personen oder Personengruppen.

Dr. Clemens Rehm, Generallandesarchiv Karlsruhe