Eine neue Heimat?
(LABW, HStAS Q 2/50 Nr. 3741-67)
Familien warten mit schwerem Gepäck auf dem Bahnsteig, einige hasten eilig zu den Waggons, manche wuchten Koffer durch die Fenster, zuletzt winken die Fahrgäste zum Abschied während der Abfahrt des Zuges: Burghard Hüdig hält in seinem Werk die Szenen fest, die sich auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof während der Abfahrt des ersten Gastarbeiter-Zuges nach Neapel 1968 ereigneten. Die Fotos erinnern daran, dass das deutsche Wirtschaftswunder ohne Millionen Heimatvertriebener und sogenannter Gastarbeiter nicht möglich gewesen wäre. Gerade die beschäftigungsintensive Industrie im Südwesten war auf günstige Arbeitskräfte angewiesen, die ab 1955 aus Italien, Griechenland oder der Türkei angeworben wurden. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Arbeitnehmer aus dem Ausland in der Regel in besonders gefährlichen, körperlich schweren Tätigkeitsfeldern eingesetzt wurden und sich erheblichen Ressentiments ausgesetzt sahen.
(LABW, HStAS Q 2/50 Nr. 4967-16a)
Die Aufnahmen aus dem fotografischen Werk von Burghard Hüdig vermitteln einen Eindruck von der spartanischen und provisorischen Unterbringung der Gastarbeiter, die eigentlich nach ein paar Jahren in ihre Heimatländer zurückkehren sollten. Dagegen setzte die Stadt Stuttgart unter ihrem Oberbürgermeister Arnulf Klett auf eine längerfristige Integration. Trotz aller Integrationsschwierigkeiten ist Baden-Württemberg langfristig vielen Gastarbeitern sowie ihren Kindern und Enkeln zur zweiten Heimat geworden.