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A/2. Spottschrift aus dem "Eulenspiegel"

"Bekanntmachung der wohllöblich königlich Flachsenfingischen Regierung" - Satire auf die württembergische Regierung

Der nachfolgende Artikel "Bekanntmachung der wohllöblich königlich Flachsenfingischen Regierung" greift mit bitterer lronie die schrittweise Demontage der deutschen Nationalversammlung und ihrer Beschlüsse durch die württembergische Regierung an.

Originalquelle mit Transkriptionshilfe - Umschrift und Erläuterungen




















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Bekanntmachung der wohllöblich königlich Flachsenfingischen Regierung

Wir haben uns, wie wir schon wiederholt erklärten, auf den Boden der Thatsachen gestellt. Thatsache nun ist, daß uns die März=Errungenschaften schon lange nicht mehr conveniren. Eine Thatsache ist ferner, daß uns die Producte der neuen russisch=preußischen Octroyirungs=Fabrik um so mehr conveniren. Wir mußten darum, Angesichts dieser unläugbaren Thatsachen, der alten und zähen Reichs=Wühler=Versammlung vollends das Genick brechen, welche uns allein die unpolitischen März=Errungenschaften noch zu respectiren gezwungen hatte. Die Politik wollte es so; die Rechtsfrage durfte hier nicht in Betracht gezogen werden.

Wir bleiben jedoch nicht bei diesem ersten großen Schritte stehen. Was wir von Anfang an erstrebt, werden wir auch durchzuführen wissen. Man hat uns den Vorwurf der Halbheit gemacht; wir weisen diesen Vorwurf mit Entrüstung zurück. Wir haben auch kein schlechtes Gewissen; wir stehen im Gegentheil erst jetzt ganz frei und aufrecht da. Aus diesen gedoppelten Gründen zaudern wir keinen Augenblick mehr, uns alles dessen zu entledigen, was uns die selige Reichs=Wühler=Versammlung theils früher schon aufgedrungen, theils neuerdings erst übermacht hat. Wir müssen schnell und radical aufräumen, da wir bereits die Petersburg=Potsdamer Errungenschaften bestellt haben, und schreiben deßhalb eine große Auction aus mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß wir sämmtliche Gegenstände um jeden Preis losschlagen.

Katalog der königl. Flachsensingischen Staats-Auction.

Nro. 1. Die deutsche Reichsverfassung. Ein Artikel, der uns schon viel Geld gekostet, aber noch viel mehr Verdruß gemacht. Auch ist er etwas verbraucht und verzogen, da wir ihn schon nach den verschiedensten Seiten gewendet haben. Doch dürfte er als demokratische Maske den Herren Despoten immer noch gute Dienste leisten. Im übrigen eignet er sich besonders für Poeten und Schwärmer, welche sich gerne mit dem Schein begnügen. - Das Reelle und Tüchtige daran haben wir uns natürlich zugeeignet, wie z. B. den Belagerungsstand, das Standrecht und was dergleichen unschätzbare Dinge mehr sind, die heut zu Tage so gute Dienste leisten.
(Von den Nummern der Reichsverfassung wird die Verantwortlichkeit der Minister zuerst versteigert, deßgleichen auch das Gesetz über Hochverrath. Im Nothfalle geben wir beide Nummern umsonst ab.)

Nro. 2. Die Grundrechte. Sie sind freilich schon etwas verschimmelt und anrüchig, weil wir sie bis jetzt streng hinter Schloß und Riegel verwahrt hatten. Auch haben wir ihnen Zwangshemden angelegt, weil sie uns ganz toll vorgekommen sind. Sollten sie zusammen keinen Liebhaber finden, so versteigern wir sie auch einzeln. Preßfreiheit, Versammlungs= und Waffen=Recht geben wir umsonst ab.

Nro. 3. Das Wahlgesetz. Ist gleichfalls sehr gefährlich, namentlich für die Ruhe der Minister. Wir haben ihm deßwegen die Hände gebunden und einen Census an die Füße gelegt.

Nro. 4. Die Volkssouveränität. Sie darf nicht aus dem Käfig herausgelassen werden. Ist ein dürrer Balg, noch lange nicht ausgewachsen, aber schon sehr frech und nasenweiß. Aus Vorsorge haben wir ihr die Beine abgeschlagen, damit sie nicht entwischen kann, wie auch die Hände, weil sie sich gerne an den allerhöchsten Herrschaften vergreift.

Außerdem besitzen wir noch eine Unmasse unnützen Gerümpels, das sich im Verlaufe eines Jahres bei uns aufgethürmt hat und uns die freie, ungenirte Bewegung gewaltig erschwert. Wir heben namentlich die Versprechungen und Vertröstungen hervor, die uns in der Abgeordnetenkammer derzeit so große Dienste geleistet haben, dann aber von uns auf die Seite gelegt worden sind, so daß sie jetzt zu Tausenden aufgeschichtet liegen. Auch besitzen wir ein wohlassortirtes Lager von Freiheitsphrasen, eigenen Fabrikats, die sehr berühmt sind, und die wir zu den oben bezeichneten Gegenständen als Prämien dreingeben.

Wir hoffen, daß sich recht viele Käufer bei uns einfinden werden. Wir meinen natürlich nur solche, welche, wie z. B. die kaiserlichen Majestäten von Rußland, China oder Marokko, oder deren Herren Minister, eine hinlängliche Garantie dafür zu geben im Stande sind, daß sie die März=Errungenschaften nicht mehr in unser Land hereinlassen, denn wir wollen sie ein für allemal draußen haben. Am liebsten wäre es uns freilich, wenn Seine Excellenz der Herr Baron v. Beelzebub die gefährlichen Waaren allesammt in Besitz nähme. Doch vertrauen wir sie auch den Herren v. Sperling, Gagag und Consorten an.

(Unterzeichnet:) Negativus. Censurius. Zitterle. Schmitzle. Rüpel. Boppel.

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