Das nachfolgende satirische Gedicht "Salomo
der Zweite" auf der Titelseite des "Eulenspiegel" vom
23. Juni 1849 ist auf den damaligen württembergischen Minister und
Regierungschef Friedrich Römer gemünzt.
Römers Wandlungen im Laufe seiner Regierungsverantwortlichkeit werden
darin karikiert.
Über Friedrich Römer - Originalquelle
mit Transkriptionshilfe - Umschrift und Erläuterungen
Friedrich Römer war im März 1848 als Führer der liberalen
Landtagsopposition als sogenannter Märzminister berufen worden, hatte
aber nun in der Einschätzung der Demokraten die Revolution verraten,
da er sich nicht entschieden genug gegen die reaktionären Kräfte
eingesetzt und einen zögerlichen Anpassungskurs eingeschlagen hatte.
Bei den Wahlen zur Landesversammlung am 1. August 1849 bekam Römer
mit seiner liberalen Anhängerschaft dafür die Quittung: Die demokratische
Volkspartei, deren Position der Eulenspiegel vertrat, errang 45 der 64
Mandate. Dieser demokratische Sieg konnte aber nichts mehr bewegen. Als
die Landesversammlung auf die nach wie vor bestehende Gültigkeit der
Reichsverfassung und der Grundrechte beharrte, löste der König sie
kurzerhand auf. Römer wurde im Oktober 1849 durch den konservativen
Minister Schlayer ersetzt.
Ein Bild will ich euch reißen,
Getreulich porträtirt,
Ein Urbild aller Weisen,
Dem alles convenirt.
Einst Führer freier Köpfe,
Hat derb er räsonirt;
Jetzt hängt er sich an Zöpfe,
Weil's ihm so convenirt.
Einst Freund der Volksrechte,
Ward unser Salomo
Zum blöden Fürstenknechte -
Es convenirt ihm so.
Von Volkeslieb' getragen,
Kam mächtig er en haut;
Jetzt nimmt er's Volk am Kragen
Es convenirt ihm so.
Der Presse Freiheit wollt' er
In der Begeist'rung Loh' ;
Jetzt freier Meinung grollt er
Es convenirt ihm so.
Als Rath von seinem König
Hat er viel schwadronirt,
Gehandelt aber wenig.
Weil' s ihm so convenirt.
Im Parlament, als Denker,
Hat er sich links postirt;
Jetzt jagt er es zum Henker,
Weil' s ihm so convenirt.
Er konnte Völker retten;
Doch ließ er ungerührt
Sie schmachten in den Ketten,
Weil' s ihm so convenirt.
Geschmeidig gegen Ohren,
Nach Unten grob und roh,
Hielt er doch viel auf 's Loben -
Es convenirt ihm so.
Die Freunde ließ er fahren,
War ihrer nimmer froh,
Reiht sich in Feindesschaaren -
Es convenirt ihm so.
Er that nur, was er wollte,
Und ward doch stets düpirt,
Und that nicht, was er sollte,
Weil'sihm so convenirt.
Betrogener Betrüger,
Stirbt unser Salomo;
Als seine Grabschrift krieg' er:
"Es convenirt' ihm so!"